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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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Geschäftsreisen.
    Der Summer ertönte. Als er das elegante Treppenhaus betrat, musste er an die grauen Wände des Plattenbaus denken, wo seine Mutter wohnte.
Du warst der Glücklichere von uns beiden, Bruderherz
, dachte Jan, doch gleichzeitig schämte er sich dieses Gedankens. Wohlhabender schien er zu sein, der Bruder im Westen, aber unbedingt glücklicher?
    Jan trat in den wartenden Aufzug und drückte auf den letzten Knopf, vierter Stock. Vielleicht war es der unbekannten Frau gegenüber unhöflich, überlegte er, sie mit dem Gesicht ihres Mannes zu überraschen, obwohl sie nur einen Kollegen erwartete. Aber alte Erfahrungen hatten ihn gelehrt, dass Überraschung die beste Methode war, und nun war es ohnehin zu spät für seine Reue.
    Im vierten Stock existierte nur das Penthouse, und in der offenen Tür stand Monika. Als sie Jan sah, stutzte sie, dann lachte sie und machte eine abwinkende Handbewegung. »Was sollen denn diese Witze, Joachim?« Sie drehte sich um und ging zurück in den Hausflur. Jan folgte ihr, schloss die Haustür hinter sich, blieb aber an der Flurgarderobe stehen. »Frau von Stein?«, sagte er höflich zu Monika.
    Monika drehte sich verdutzt um. Was sollte diese dumme Anrede mit verstellter Stimme? Sie starrte ihn an. Beim Friseur war er auch gewesen! Seine vorwitzige Strähne war fort. Und was hatte er für Sachen an? Die kannte sie nicht, neu sahen sie aber nicht aus. Doch bevor Monika ihren Mund auftun konnte, sagte Jan: »Frau von Stein, bitte erschrecken Sie nicht, aber ich bin nicht Ihr Mann, ich bin – ihm nur sehr ähnlich.«
    Monika riss die Augen auf. Wahrhaftig, jetzt erkannte auch sie, dass es nicht Joachim war. Der Fremde hatte viel schärfere Falten um die Mundwinkel, außerdem war er blasser, ihm fehlte die Sonnenbankbräune. »Das ist – das ist wirklich eine Ähnlichkeit!«, stotterte sie. »Nicht zu fassen. Und Sie – Sie sind ein Kollege von Joachim? Äh, wie war doch gleich der Name?«
    »Jan Matuschek.«
    »Also, Herr Matuschek, Sie müssen schon entschuldigen. Aber ich habe Sie tatsächlich für meinen Mann gehalten. Sicher passiert Ihnen das in der Firma öfters? Kommen Sie doch herein.« Monika ging voraus und öffnete die Tür zum Wohnzimmer.
    Jan folgte ihr. Aus der Küche kam ein verlockender Essensgeruch. Die gute Hausfrau hatte für ihren Mann sicher einen Braten in der Röhre warmgestellt. Jan sah sich verstohlen um. Blauer Teppich, helle Designermöbel. Auf der weißen Ledercouch saß eine Katze und blinzelte ihn schläfrig an. Monika rief »husch!«, und die Katze sprang beleidigt hinunter. Monika bot Jan den Platz der Katze an. »Wie gesagt, ich erwarte meinen Mann jede Minute. Möchten Sie etwas trinken?«
    »Gern. Wenn Sie haben, einen Whiskey.«
    Monika runzelte die Stirn, sagte aber nichts und verschwand im Nebenzimmer. Jan sah sich um in der Behausung seines Bruders. Das Zimmer war dreimal so groß wie das seiner Mutter und sehr sonnig, die Panoramafenster reichten bis auf den Boden. Aber durch die sparsame Möblierung wirkte es kälter als daheim, fand Jan. Neben dem Kamin stand eine chinesische Bodenvase mit Ziergras, an der gegenüberliegenden Wand hingen gerahmte Drucke und etwas deplatziert eine Heidelandschaft in Öl. Von seinem Sitzplatz auf der Couch konnte Jan über die Alster blicken. Das war ein anderes Panorama als die mit Graffiti beschmierten Wände in Marzahn.
    Monika erschien mit dem Whiskey. Jan lächelte und bedankte sich. Rasch glitt sein Blick über sie hin. Sie sah nett aus mit ihrem braunen Lockenkopf, bot aber lediglich den Schmelz ihrer Jugend. Außerdem war sie ungeschminkt und trug einen schlabberigen Pullover über ihren Jeans. Eine Frau, die Jan nicht aufgefallen wäre.
Sie muss verborgene Qualitäten haben
, dachte er und leerte das Glas auf einen Zug.
    Monika richtete ihre runden, braunen Augen auf ihn. »Sie haben Unterlagen mitgebracht? Wo sind sie denn?«
    Jan räusperte sich. Musste sich diese Frau denn an alles erinnern? Normalerweise bereiteten ihm solche Situationen keine Schwierigkeiten, mit seinem Charme wickelte er fast jede Frau ein und Monikas sowieso. Aber diese Monika hatte schon ein Exemplar von seiner Sorte, womit also sollte er sie beeindrucken? Vielleicht mit der Wahrheit, aber die wollte er erst in Gegenwart seines Bruders verkünden.
    »Die Unterlagen? Ehrlich gesagt, es gibt keine Unterlagen. Ich muss einfach dringend mit Ihrem Mann sprechen und mir fiel keine andere Ausrede ein.« Jan lächelte

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