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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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blieb in der Luft hängen. »Sie kennen die Gräfin?« Dann lachte sie gekünstelt. »Ach ja, natürlich, wo es doch auch Ihre Mutter ist, nicht wahr?«
    Jan nickte. »Sie ist es, aber ich kenne sie nicht persönlich. Joachim und ich wurden als Babys getrennt, und ich wuchs in der ehemaligen DDR auf.«
    Monikas Interesse erwachte. Hatte sich dieser Matuschek zwecks Erbschleicherei eine tolle Geschichte ausgedacht, oder war er am Ende tatsächlich Joachims Zwillingsbruder? »Und weshalb kommen Sie erst heute?«
    Plötzlich hätte Monika eine Unmenge Fragen stellen mögen, und Jan ärgerte sich, dass er etwas preisgegeben hatte, denn so musste er alles doppelt erzählen. Doch bevor er antworten konnte, hörte er die Tür gehen. »Das ist Joachim!«, rief Monika erleichtert und lief auf den Flur ihm entgegen. Jan hörte, wie sie ihren Mann überfiel: »Schatz, du rätst nicht, wer zu Besuch gekommen ist!«
    »Meine Mutter?« Das klang nicht begeistert.
    »Lauwarm.«
    »Deine Mutter?« Das klang noch schlechter.
    »Falsch. Dein Zwillingsbruder!«
    »So?« Mehr hatte Joachim auf diese Enthüllung nicht zu sagen, er machte weder eine witzige noch eine geringschätzige Bemerkung, was Jan erwartet hätte. Es war unmöglich, aber Jan hatte das Gefühl, dass Joachim mit seinem Erscheinen gerechnet hatte. Er erhob sich, um seinem Bruder entgegenzutreten. Joachim stieß die angelehnte Tür zum Wohnzimmer auf, und sie sahen sich an. Jan versuchte ein verbindliches Lächeln, Joachims Miene war starr. »Wer sind Sie?«, stieß er schließlich hervor.
    Jans erster Gedanke war, dass sein Bruder besser als er selbst aussah, kein Wunder bei der Bräune und dem maßgeschneiderten Anzug. Das Haar trug er verwegen lang, und eine blitzende Strähne hing über seinem rechten Auge. »Ich bin Jan, dein Zwillingsbruder«, grinste Jan, als sei es das Natürlichste von der Welt. Joachim die brüderliche Hand hinzustrecken, verkniff er sich.
    Joachim musterte Jan von oben bis unten, sein billiges Sweatshirt, seine billigen Jeans, seine Turnschuhe. Dabei vergaß er, sich die Haarsträhne aus der Stirn zu wischen. »Mir ist das Gerücht über einen Doppelgänger zu Ohren gekommen«, erwiderte er kühl. Er wies auf die Couch. »Nehmen Sie doch bitte wieder Platz, Herr –?«
    »Matuschek«, sagte Jan und setzte sich. »Ich trage den Namen meiner Mutter, die natürlich nicht meine leibliche Mutter ist. Meine leibliche Mutter ist die Gräfin Luise von Stein, wie Deine auch – ich denke, wir sollten uns duzen, Joachim, das gehört sich doch so unter Brüdern.«
    Joachims linkes Augenlid zuckte. »Ich würde es vorziehen, beim ›Sie‹ zu bleiben, solange ich Ihre Absichten nicht kenne, Herr Matuschek. Monika? Wir essen heute im Esszimmer. Ich denke, Herr Matuschek wird zum Essen bleiben.«
    Monika, die in der Küche verschwunden war, aber die Ohren weit aufsperrte, rief: »Ist gut, Joachim.«
    Joachim setzte sich Jan gegenüber in einen Sessel, Penelope, die Katze, strich um seine Beine. Joachim kraulte sie abwesend und musterte Jan ungehalten. »Ich gebe zu, Sie haben eine entfernte Ähnlichkeit mit mir, Herr Matuschek. Also, was wollen Sie? Geld? Einen Adelstitel?«
    »Sie glauben mir nicht, und Sie haben eine niedrige Meinung von mir, wie ich sehe.«
    Jetzt blies Joachim doch die Strähne über seinem Auge fort. »Das Individuum, das mich auf der Straße mit Ihnen verwechselt hat und mit dem Sie zweifellos unter einer Decke stecken – Sie sehen, ich weiß Bescheid, Herr Matuschek – war nicht gerade vertrauenerweckend.«
    »Wer war das? Erwin Köpke?«
    »Möglich, ich erinnere mich nicht an seinen Namen«, erwiderte Joachim kalt.
    »Das Essen ist fertig«, rief Monika mit heller Stimme, und die beiden Männer begaben sich nach nebenan. Es gab Schweinsgulasch mit grünen Bohnen und Salzkartoffeln. Dazu wurde ein leichter Rotwein gereicht. Jan war erleichtert, dass seine elitäre Verwandtschaft Hausmannskost anbot.
    »Was auch immer Sie von mir wollen«, begann Joachim, während er die Serviette auseinanderfaltete. »Sie kommen zu einem sehr schlechten Zeitpunkt. Dies ist mein letzter Abend vor einer längeren Geschäftsreise, den ich gern mit meiner Frau allein verbracht hätte. Also reden Sie bitte nicht länger um den heißen Brei herum.«
    Monika fühlte sich aus irgendeinem Grund geschmeichelt. »Jeder füllt sich selbst auf«, sagte sie, und Joachim reichte Jan die Schüssel mit den Bohnen. »Sagen Sie, Herr Matuschek«, mischte sich

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