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Der Duft des Anderen

Der Duft des Anderen

Titel: Der Duft des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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einer Frau wie ihr gut anstünde und was Barbara den letzten Nerv raubte. Es half nichts, sie musste sich Robert nackt auf der Couch vorstellen mit einer brennenden Zigarette auf dem Bauch. Das brachte sie zum Lachen. Aber es befreite sie nicht. Sie verabredeten sich für den nächsten Sonntag in Nienstedten.
    Es war mittlerweile halb zwölf, als Barbara erschöpft von dem Gesülze und einem Krampf in den Mundwinkeln zu Hause ankam. Sie hatte gerade die Tür geöffnet, da begrüßte sie das schrille Klingeln des Telefons.
Robert!
, dachte sie ergeben.
Will sich erkundigen, ob ich gut nach Hause gekommen bin.
Aber es war Stephan. Der Schreck durchfuhr sie siedend heiß. Woher hatte er ihre Nummer?
    »Na endlich erreiche ich dich mal. Treibst dich ganz schön in der Gegend herum, Sascha.«
    »Woher hast du meine Nummer?«, fauchte sie.
    »Das ist kein Geheimnis. Von der Auskunft. Habe mir dein Namensschild angesehen: Waszcynski. Dort meinten sie allerdings, der Anschluss sei angemeldet auf Barbara Waszcynski, aber die Adresse stimmte.«
    »Meine Mutter«, sagte Barbara schnell. »Sie ist vor Kurzem ausgezogen, und wir haben das Telefon noch nicht umgemeldet.«
    »Ist doch unwichtig. Bist du sauer, dass ich dich anrufe?«
    Barbara atmete tief durch. »Nein, nein, es ist nur – es ist schon so spät, und ich bin müde.«
    »Wollte dich auch nur fragen, wann wir uns mal wieder sehen können?«
    »Na, ich denke, am Mittwoch bei Kai.«
    »Erst in zwei Wochen? Nicht früher? Ich dachte, ich besuche dich mal wieder auf deinem Dachboden.«
    Barbara schwieg, ihre Hände am Hörer wurden kalt und klamm. Sie konnte nicht glauben, dass Stephan das wiederholen wollte.
    »Sascha? Bist du noch dran?«
    »Ja, ja.« Barbara zögerte. »Dieselbe Vorstellung wie letztes Mal?«
    »Same procedure as every year«, kalauerte Stephan.
    Barbara überlegte kurz. Am Sonntag war die Ausstellung. Gutbürgerliche Atmosphäre, gepflegter Small Talk, lauwarmer Champagner und ein aufdringlicher Robert Grünwaldt erwarteten sie. Ja, danach würde sie einen nackten wimmernden Mann auf ihrer Couch bestimmt zu schätzen wissen. Sie verabredete sich mit Stephan für Sonntagnacht.
    Alles eine Sache der Routine
, dachte sie, als sie ins Bett ging, und beschloss, morgen an ihrem halb fertigen Bild auf dem Boden weiterzumalen.
    ***
    Zwei Tage später machte sie einen Bummel durch die Innenstadt. Sie wollte sich nach Spezialitäten für ihre Nacht mit Stephan umsehen, klapperte diverse Geschäfte in den Seitenstraßen von St. Pauli und St. Georg ab, aber was sie sah, war ihr zu aufgesetzt, zu wenig spontan, passte nicht zu ihr. Sie hatte Stephan ohne Ledermaske und Peitsche, ohne Handschellen und Knebel auf die Couch gefesselt, allein durch die Gewalt ihrer Stimme, durch die Kraft ihrer Persönlichkeit. Ein Paar lange Stiefel gefielen ihr, aber es waren Damenstiefel. Springerstiefel vielleicht? Nein, die hatten nichts Erotisches, waren in ihrer Vorstellung mit einem Männerbild verbunden, das sie verabscheute.
    Alle Kleidungsstücke und Utensilien schienen nur für Frauen gemacht, was sie ärgerte. Vielleicht hatte sie sich aber auch in den falschen Geschäften umgesehen. Auf St. Georg gab es eine Lederbar, das hatte Barbara aus einem Stadtführer für Schwule erfahren. Dort kam man ohne das richtige Outfit nicht hinein, also musste es solche Läden geben. Inzwischen traute sie sich zu, so etwas zu besuchen. Vielleicht würde Stephan mit ihr hingehen.
    Das Wetter war schön, und Barbara beschloss, ihren Bummel bis an die Alster auszudehnen. An den exklusiven Geschäften um den Jungfernstieg herum schlenderte sie gelangweilt vorüber. Obwohl sie vermögend war, fühlte sie sich dieser Schicht von Leuten nicht zugehörig. In einem Durchgang blieb sie neben einem bettelnden Obdachlosen stehen, der es sich in der Passage mit seinem Schlafsack gemütlich gemacht hatte. In der Auslage über ihm wurde sündhaft teure Unterwäsche angeboten. Slips und Büstenhalter zu einem Preis, der einem Monatssatz Sozialhilfe entsprach. Unterschiede mussten sein, dachte sie, aber dies hier in seiner Krassheit stieß sie ab. Barbara gab dem Obdachlosen fünf Mark. Sie hasste es, etwas zu geben, und sie hasste es, nichts zu geben. Almosen hatten etwas Würdeloses für sie. Der junge, verwahrloste Mann dankte mit einem Grinsen und schob die fünf Mark schnell in seine Jackentasche. Ob er auch so über Almosen dachte wie sie?
    Merkwürdig
, überlegte sie,
da quäle ich Menschen mit

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