Der Duft des Anderen
klar?«, schrie Barbara. »Ich will einen schwulen Mann, der so tut, als sei ich ein Mann und der mich vögelt, als wäre ich ein Mann.«
»He, ich weiß nicht, was du da quatschst. Ich seh nur ’ne Möse. Verdammt viel verlangt, mir da jetzt einen Schwanz einzubilden.«
»Dann mach doch die Augen zu!«
Frank lehnte gegen die Kommode und verschränkte die Arme. Er grinste Barbara an, die mit hochrotem Kopf und in Schlüpfern hinter dem Bett stand. »Das glaubt mir keiner. Ich hatte ja schon mal eine Tunte hier oben, aber eine richtige Tussi …«
»Verdammt! Ich bin keine Tussi! Was du siehst, ist eine Frau, aber innerlich …« Barbara schlug sich auf die Brust, »hier drin fühle ich wie ein Mann!«
»Interessiert mich ’nen Dreck, wie du dich fühlst, für mich bist du ’ne Tussi. Wenn du eine Transe bist, dann lass dich doch operieren.«
»Dreckskerl!«, zischte Barbara. »Ich weiß wirklich nicht, weshalb ich so sein möchte wie du.« Sie zog ihre Jeans hoch.
»Wie ich? Was steht dem entgegen? Du wärst eine richtige Edelnutte, vom Feinsten sozusagen.«
»Mein Gott, ich meine nicht so ein Stricher wie du, sondern ein Schwuler wie du. Seid ihr Männer immer so begriffsstutzig?«
»Du möchtest schwul sein? So was Blödes habe ich überhaupt noch nie gehört. Von einer Frau.«
»Na und? Dann hörst du es jetzt. Ich dachte, dir macht das überhaupt nichts aus, wo du ihn reinsteckst.«
»Tut es aber. Ich kann mit Weibern absolut nichts anfangen und schon gar nicht, wenn sie so herumspinnen wie du. Du solltest zum Psychiater gehen, das meine ich ernst.«
Barbara sah in sein verstörtes Gesicht. Dieser abgebrühte Stricher, dem nichts fremd war, der sich bei Fäkal-Sex einfach die Nase zuhielt, betrachtete sie, als sei sie eine riesige außerirdische Fliege. Sie fühlte sich wie Schmutz, den er aus seinem Zimmer kehren wollte. Hinaus auf den langen Flur mit den vielen Türen, hinter denen andere schwule Stricher lauerten und krächzten: Was will dieses Monster hier? Schaff es raus! Schaff es raus!
Sie sah, wie er sich unruhig über den Reißverschluss fuhr, als müsse er sein bestes Teil vor ihren Blicken schützen. Was für eine jämmerliche Erscheinung! In Barbaras Leben hätte er keine Rolle gespielt, er war ein Stricher, ein Nichts! Dass er sie verstieß, ausgrenzte, könnte sie unberührt lassen, würde sie sich nicht mit allen Fasern danach sehnen, zu seinesgleichen zu gehören.
An der Tür drehte Barbara sich um, sah Frank auf dem großen Bett sitzen, sich unruhig am Knie kratzend, das Gesicht abgewandt. Sie schloss die Tür, wollte so schnell wie möglich weg von hier. Der Flur schien ihr unendlich lang, an den Türen vorbeizugehen wie Spießrutenlaufen. Sie starrte und horchte. Plötzlich traten drei Türen weiter zwei Männer auf den Flur. Sie drehten sich flüchtig nach ihr um und verschwanden dann durch die Haustür. Barbara lehnte sich an die Wand, konnte keinen Schritt tun. Was tat sie hier in einer Schwulenabsteige? Wie war sie hierher gekommen? Aus Franks Zimmer kam jetzt laute Musik, diese entnervenden Rhythmen, Heavy Metal oder Techno, Barbara kannte sich nicht aus, wusste nur, dass die Bässe überall in ihrem Körper wummerten. Frank, der Stricher, dröhnte sich seine Aggressionen und seinen Abscheu aus dem Leib.
Lass uns Beziehung spielen! Warum dann nicht das Frau-wird-zum-Mann-Spiel? Nein?
Nein! Die Sache ist schiefgegangen. Geh nach Haus und vergiss das alles. Finde dich damit ab, dass kein Schwuler dich jemals anrühren wird, nicht einmal ein Stricher. Lass dich endlich von Robert Grünwaldt zum Essen einladen und tu danach das, was ein Mann von einer Frau erwartet. Du bist kein Mann, Barbara Waszcynski! Und schon gar nicht bist du Alexander Kirch, du bist nicht einmal sein Abziehbild. Verschwinde so schnell wie möglich aus dieser Absteige, bevor du dich noch lächerlicher machst!
Barbara tat einen Schritt, wieder ging vorn eine Tür. Ein Junge kam heraus, musterte sie flüchtig, ging. Die Bässe explodierten in ihrem Kopf. Die Tür neben ihr stand einen Spalt offen. Ohne nachzudenken, schlüpfte sie hinein und stand in einer nach altem Fett stinkenden Küche, in die schwaches Hinterhoflicht fiel. Sie sah es sofort: Ein großes Messer mit langer, spitzer Klinge und einem schwarzen Griff, es lag in der Spüle inmitten schmutzigen Geschirrs. In ihr entstand ein Bild so deutlich, als hätte sie es bereits gemalt. Ein Bild, das gemalt werden musste! Das ihre Niederlage in
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