Der Duft des Anderen
auftischen, das sparte Telefongebühren und ständige Wiederholungen. Stattdessen wurde er wegen dieser Sache mitten in der Woche von Joachim angerufen. Aber er konnte Joachim leider nicht helfen. Ein Freund von ihm, ein Stephan Fiedler, habe sie zum Treffen mitgebracht. Wo man den erreichen könne? Der habe einen Gay-Shop in der Talstraße, aber Joachim werde Stephan weder dort noch in seiner Wohnung erreichen, er habe sich seit einigen Tagen abgesetzt.
»Abgesetzt?«, fragte Joachim.
»Ja, so nennen wir das, wenn einer plötzlich meint, tagelang woanders pennen zu müssen, weil er mal wieder die ganz große Liebe seines Lebens gefunden hat. Rudi, sein Partner, ist ganz schön sauer, der muss den Laden jetzt allein schmeißen.«
»Dann wird er vielleicht bei Sascha sein? Wäre das möglich, was meinst du?«
»Möglich schon, aber niemand weiß, wo der wohnt.« Luigi lachte und verbesserte sich. »Wo sie wohnt.«
Joachim bedankte sich. Luigi hatte ihm verschwiegen, dass die Sache mit Stephans Verschwinden viel mysteriöser war. Manrico hatte es ihm erzählt, sozusagen von Landsmann zu Landsmann. Als Manrico in Stephans Wohnung aufwachte, war Stephan nicht mehr da gewesen. Zur Arbeit gefahren, hatte Manrico gedacht, und sich weiter keine Gedanken gemacht. Am nächsten Tag hatte Rudi bei Manrico angerufen, gefragt, ob er wisse, wo Stephan sei. Der sei schon den zweiten Tag nicht zur Arbeit erschienen, aber sein Auto stehe vor der Tür. Manrico konnte ihm nichts anderes erzählen als das, was er schon Luigi gesagt hatte. Und ihre beiden Geschichten zusammengenommen machten Stephans Verschwinden eben mysteriös. Aber Luigi wollte sich – falls es etwas Brenzliges war – in nichts hineinziehen lassen. Besser, man wusste von nichts.
Joachim war genauso schlau wie vorher. Die einzige Spur, die zu Sascha geführt hätte, war erst einmal im Sande verlaufen. Wer blieb? Die Vernissage? Joachim hatte auf Frauen nicht geachtet. Und es war auch schon zu lange her. Er fragte Monika, ob ihr auf der Ausstellung, zu der sie mit Jan gegangen war, eine Frau aufgefallen sei, dunkelhaarig, hübsch, exotischer Einschlag.
Aber Monika war in ihrer momentanen Phase keine gute Zeugin. Angriffslustig fragte sie ihn, ob er zur Abwechslung wieder auf Frauen stehe.
»Ich muss sie unbedingt finden, weil ich glaube, dass sie den Zettel geschrieben hat.«
Das war kein kluger Schachzug. Monika lachte kurz und schadenfroh. »Dazu kann ich sie nur beglückwünschen.«
Joachim ärgerte sich über seinen Fehler. Er räusperte sich. »Na gut, aber sie kann uns noch mehr Schaden zufügen, denke doch nur an den Skandal, der dann auch dich treffen würde.«
»Daran denke ich die ganze Zeit, Joachim. Und ich versichere dir, Frauen, die sich als Männer verkleiden, gehören nicht zu meinem Bekanntenkreis.«
Joachim sah ein, dass er, um Saschas weibliche Identität herauszufinden, eine Menge Arbeit in die Sache stecken musste, und das konnte und wollte er nicht. Er teilte das Alexander mit und fragte ihn, ob sie einen Privatdetektiv einschalten sollten. Das fand sogar Alexander übertrieben, und sie einigten sich darauf abzuwarten, ob Sascha eine weitere Bosheit gegen sie aushecken werde, dann sei immer noch Zeit dazu.
Die Angelegenheit mit Sascha klärte sich dann ganz plötzlich von allein, und das verdankten sie einem gewissen Erwin Köpke.
Erwin lebte von Sozialhilfe und hatte viel Zeit. Erwin war auf diese merkwürdige Sache mit den Zwillingsbrüdern gestoßen und hatte Morgenluft gewittert. Bei Jans Mutter war er abgeblitzt, danach hatte er sich wohlweislich nach Hamburg abgesetzt, um Jan nicht zu begegnen. Joachims Anschrift hatte er aus dem Telefonbuch, und so lungerte er tagelang um seine Wohnung herum, ohne etwas Konkretes zu finden. Dann stand eines Tages Jans Taxi vor der Tür. Das allein war noch keine zehn Pfennig wert, aber wie gesagt, Erwin Köpke hatte Zeit. Bald war er dahinter gekommen, dass Jan und Joachims Frau ein Verhältnis hatten, aber er brauchte Beweise. Er kaufte sich eine gebrauchte Kamera, aber zu kompromittierenden Fotos kam er nicht, weil er nicht die Mittel besaß, die beiden überallhin zu verfolgen. Manchmal gingen sie an der Alster spazieren, dann schlich er ihnen hinterher, aber alles lief ganz harmlos ab. Keine Umarmungen, keine Küsse auf der Parkbank.
Dann war Joachim von seiner Reise zurückgekehrt, aber Jans und Monikas gemeinsame Spaziergänge hörten nicht auf. Da ging auch Erwin ein Licht auf, dass
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