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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Sabine, was läuft denn da!", schimpfte ihr Thomas Ohlendorf ins Ohr. „Der Leiter des Observationsteams klingelt mich aus dem Bett, weil du plötzlich vom Erdboden verschwunden bist und er dafür keine Erklärung hat."
    „Wovon redest du eigentlich?", fragte die Kommissarin verwirrt. Ihr Kopf hämmerte.
    „Warst du heute Abend in Blankenese in Peter von Borgos Haus?", fragte der Hauptkommissar streng.
    „Nein, warum -oder ja, ich glaube schon." Sie versuchte mit ihren Gedanken den dichten Nebel zu durchdringen, der sich in ihrem Kopf eingenistet hatte.
    „Kannst du mir erzählen, was dort passiert ist?" Nur mühsam gelang es ihm, seine Ungeduld zu unterdrücken.
    „Nein, nicht so genau. Ich erinnere mich nicht mehr." Eine Weile war es ganz still. Nur die Uhr in der Küche tickte.
    „Ich bin nach Blankenese rausgefahren und habe mit dem Leiter des Einsatzteams gesprochen -Tobler heißt er, glaube ich."
    „Weiter!"
    „Er hat mich in das Haus gelassen und mir ein Funkgerät mitgegeben. Erst war ich oben, und dann bin ich, glaube ich, in das Zimmer mit dem Flügel gegangen und habe die Vorhänge zugezogen, damit man von außen das Licht nicht sieht. Ich habe mir die Bücher angesehen", fügte sie noch zögernd hinzu.
    „Und was ist dann passiert?"
    „Ich weiß es nicht", rief Sabine voller Verzweiflung. „Je mehr ich versuche, mich daran zu erinnern, desto stärker wird der Schmerz in meinem Kopf. Ich sehe einen Schatten, einen Mann, es könnte Peter von Borgo sein, aber ich weiß es nicht sicher. Und wenn er es wäre, wenn er mich dort in seinem Haus überrascht hätte, wie komme ich dann hierher zurück in mein Bett?"
    „Das musst du nicht mich fragen", brummelte Thomas Ohlendorf. „Tatsache ist, dass dich keiner aus dem Haus hat kommen sehen. Irgendwann schöpfte Tobler Verdacht und ging hinein. Das Einzige, was er fand, war das Funkgerät, das er dir mitgegeben hatte -in einem desolaten Zustand -, und einen Leuchter mit halb abgebrannten Kerzen neben dem Flügel -das Wachs war noch heiß!"
    „Ich kann mich einfach nicht erinnern, wie ich nach Hause gekommen bin", jammerte Sabine, „und das ist nicht das erste Mal."
    „Vielleicht ist die Gehirnerschütterung doch stärker, als der Arzt dachte. Du solltest dich morgen noch einmal untersuchen lassen."
    „Du verstehst nicht, diese Aussetzer hatte ich schon vor Dienstag ein paarmal."
    Der Hauptkommissar schwieg lange. „Dann musst du das dem Arzt sagen. Das wird schon wieder", tröstete er, doch in seiner Stimme schwang Unsicherheit. „Tatsache ist jedoch, dass du das Haus verlassen konntest, ohne vom Observationsteam bemerkt zu werden. Ich werde jetzt wieder schlafen gehen, aber ich schwöre dir, morgen gibt es ein Donnerwetter. So etwas haben die noch nicht erlebt!"
    Mit unsicheren Bewegungen steckte die junge Frau das Telefon in die Ladestation und wankte dann ins Bad. Ein bleiches Gesicht mit riesigen, dunklen Pupillen starrte ihr aus dem Spiegel entgegen. Getrocknetes Blut färbte ihre Mundwinkel braun. Plötzlich sog sie ungläubig die Luft ein. Ihr Blick wanderte herab. Aber was war denn das? Fassungslos starrte sie das altmodische weiße Nachthemd an, das sie trug. Das gehörte garantiert nicht ihr! Wieso hatte sie es an? Sabine war sich sicher, das Nachthemd noch nie gesehen zu haben -oder vielleicht doch? Wieder versuchte sie den Nebel zu durchdringen -vergeblich. Kopfschüttelnd sah sie an sich herunter, strich über die eingewebten Seidenbänder und die steif gestärkten Rüschen. Auf Höhe der Brüste hatten sich kleine, bräunliche Flecken auf dem sonst makellos weißen Stoff ausgebreitet. Wie kam sie zu diesem Nachthemd?
    „Denk nach, Sabine, denk nach. Dafür muss es eine Erklärung geben!" Eine Truhe mit herrlichen alten Gewändern schwebte durch ihren Sinn. Hatte sie das Nachthemd in Peter von Borgos Haus gefunden und dann mitgenommen?
    „Oh mein Gott", jammerte sie, „ich werde wahnsinnig. Ich klaue Nachthemden in fremden Häusern, zerstöre Funkgeräte und leide dann unter Gedächtnisschwund."
     

Lilly
    Den Sonntag verbrachte Sabine wieder in der Eppendorfer Klinik. Drei Ärzte untersuchten sie von Kopf bis Fuß, stellten Fragen, prüften Reflexe und zogen sich dann zur Beratung zurück. Dann riefen sie Sabine herein. Professor Langberger, der Psychiater, ergriff das Wort.
    „Um ganz offen zu sein, wir stehen vor einem Rätsel. Körperlich konnten wir nichts finden, das für Ihre Gedächtnislücken verantwortlich sein

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