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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Schriftsteller bin ich nicht, obwohl ich immer wieder Geschichten und Beobachtungen zu Papier bringe, und auch kein Schauspieler, obwohl die Kunst, mich zu verstellen, zu meiner zweiten Natur geworden ist."
    „Was machen Sie dann? Ich meine beruflich", bohrte die junge Kommissarin weiter.
    Der Vampir bemühte sich, seine Belustigung zu verbergen, und sagte ernst: „Ich bin Privatdetektiv, in Wien geboren und in den Ländern der Donaumonarchie aufgewachsen. Deutsch habe ich viel aus den literarisch bedeutenden Werken gelernt, vielleicht drücke ich mich deshalb ein wenig ungewöhnlich aus."
    „Ein richtiger Detektiv?", staunte die junge Frau. „Haben Sie eine eigene Detektei? Ich meine, wie heißen Sie, wo kann man Sie erreichen?"
    „Schon wieder so viele Fragen auf einmal", tadelte er sanft.
    „Es ist so, meine Freundin ist verheiratet, und sie glaubt, dass ihr Mann sie betrügt", improvisierte Sandra. „Und sie meinte, sie wolle einen Privatdetektiv engagieren, um ihn beschatten zu lassen."
    „Wie in einem schlechten Roman."
    „Ja, wie in einem schlechten Roman. Also, wenn Sie mir Ihre Karte geben würden, dann könnte meine Freundin Sie mal anrufen. -Sie haben mir ja noch gar nicht gesagt, wie Sie heißen."
    „Peter von Borgo", stellte er sich vor und schob ein kleines Kärtchen mit verschnörkelter Schrift über den Tisch. „Und wie heißen Sie?"
    „Martina Meier", log sie. Rasch griff Sandra nach der Visitenkarte und ließ sie in ihrer Jackentasche verschwinden. Peter von Borgo -HH-PB, dachte sie, das passt! Mit einem großen Schluck leerte die Kommissarin ihr Grogglas und stand dann auf.
    „War nett, mit Ihnen zu plaudern, aber ich muss jetzt gehen."
    Auch der Vampir erhob sich und ließ den Faust in der Lederjacke verschwinden. „Es ist schon spät. Ich werde Sie nach Hause begleiten."
    Sandra wich ein Stück zurück. „Danke, das ist nicht nötig. Sie haben Ihren Wein ja noch gar nicht ausgetrunken."
    „Das ist kein Verlust. Er ist nicht besonders gut", erwiderte der Vampir und schob einen Fünfeuroschein unter das Glas.
    „Kommen Sie", forderte er Sandra auf, als habe er ihren Einwand nicht gehört.
    Sie fügte sich in ihr Schicksal, wickelte sich ihren Schal um den Hals und trat durch die ihr aufgehaltene Tür in die Nacht hinaus.
    „Und, wo geht es hin?", fragte der Vampir, als sie draußen auf der Straße standen. Eigentlich war sie nicht scharf darauf, einem Fremden, der vielleicht in einen Mordfall verwickelt war, ihre Adresse zu verraten.
    „Ich nehme den Bus", wehrte sie ab, doch als sie sich der Haltestelle näherten, fuhr der 108 gerade ab.
    „Mist!"
    „Uhlenhorst oder Winterhude?", fragte Peter von Borgo ruhig.
    „Winterhude", antwortete sie widerstrebend. Immerhin konnte sie ihn ja vor einem falschen Haus wegschicken.
    Der Vampir hob den Ellenbogen und fragte: „Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, Arm und Geleit Ihr anzutragen?"
    Sandra Richter trat einen Schritt zurück und sah ihn verständnislos an, doch dann lächelte sie unsicher. „Das ist aus Faust, nicht?"
    Er ließ den Ellenbogen wieder sinken und nickte. Gemessenen Schrittes ging er neben ihr her. Am Krankenhaus überquerten sie die auch noch zu dieser Stunde von Verkehr dröhnende Alsterstraße. Auch auf dem Fußweg unten am Wasser entlang blieb das Brausen der vorbeieilenden Fahrzeuge ihr Begleiter. Sandra plauderte munter drauflos und fragte ihn über seine Fälle aus, über sein Büro in Blankenese, ob er alleine arbeite oder ob er Angestellte habe. Dann kam sie unauffällig auf Motorräder zu sprechen.
    Peter von Borgo schmunzelte in sich hinein, doch er antwortete mit großem Ernst auf alle ihre Fragen. So ganz war er nicht bei der Sache. Die Frau an seiner Seite war zwar jünger als Sabine Berner und für manchen Geschmack vielleicht auch hübscher anzusehen, doch sie konnte ihn nicht faszinieren. Das Einzige, was er verspürte, war Hunger, und der nahm mit jedem Schritt weiter zu.
    Nach der Schwanenwikbrücke verlor sich das Rauschen des Verkehrs. Der Vampir wartete, bis ein spätes Joggerpärchen hinter der nächsten Biegung verschwunden war, dann legte er der jungen Frau den Arm um die Taille. Sie protestierte entrüstet und versuchte, ihm mit einem Judogriff den Arm auf den Rücken zu drehen, doch seine Kraft, mit der er dagegen blockte, ließ sie keuchen. Während er sie mit der einen Hand in Schach hielt, wischte er sich mit der anderen die dunklen Linsen aus den Augen und schob sie in die Tasche.

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