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Der Duft des Blutes

Titel: Der Duft des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Sabine den Blick.
    „Nein", sagte sie. „Es war die richtige Entscheidung."
    Plötzlich schien er es eilig zu haben. „Du, ich muss los." Er hob zum Abschied die Hand. „Grüß mir die alten Kollegen", sagte er noch, dann drehte er sich um und überquerte mit langen Schritten die Straße. Die Kommissarin sah ihm verwirrt nach.
    Bei einem Glas Grog plauderte Sandra Richter mit ihrem Kollegen, doch die junge Frau war nicht so ganz bei der Sache. Immer wieder schielte sie über Jürgens Schulter hinweg auf einen dunkelhaarigen Mann, der allein an einem Tisch in der Ecke saß und in einer noch altdeutsch gedruckten Ausgabe von Goethes Faust las. Er hatte auffallend bleiche Haut. Das glatte schwarze Haar war im Nacken zusammengebunden. Jedes Mal, wenn sie zu ihm hinübersah, schien er in seine Lektüre vertieft, und doch wurde die junge Frau das Gefühl nicht los, dass er sie beobachtete, sobald sie sich wieder dem Polizeiobermeister zuwandte.
    Sie schielte zu der Motorradjacke hinüber, die über seinem Stuhl hing. Ihre Gedanken rasten. Konnte das der Mann sein, dessen Kennzeichen Ronjas neugierige Nachbarin notiert hatte? Das wäre schon ein merkwürdiger Zufall. Aber wenn er es nun doch wäre? Was würde Sabine Augen machen, wenn sie ihr morgen Name und Adresse des Gesuchten präsentieren könnte!
    Jürgen Hugendorf trank aus, zahlte und setzte die Mütze wieder auf, doch die junge Kollegin machte keine Anstalten, ihm zu folgen.
    „Bleibst du noch?"
    „Ja, ich bin verabredet", log sie und bestellte noch einen Grog. „Also dann einen schönen Abend und bis morgen."
    Sandra Richter wartete, bis der Kollege um die Ecke verschwunden war. Dann atmete sie tief durch, nahm ihr Grogglas und ging zu dem Mann hinüber. Anscheinend hatte er sie noch nicht bemerkt, denn er sah nicht von seinem Buch auf. Die junge Frau räusperte sich nervös.
    „Entschuldigen Sie, darf ich mich zu Ihnen setzen?"
    Nun hob er doch den Blick und musterte sie schweigend aus großen, dunklen Augen. Warum sagte er denn nichts?
    „Ich will Sie nicht stören, nur Sie sitzen hier so alleine, und da dachte ich -also ich hoffe, ich belästige Sie nicht -nicht dass Sie etwa denken..."
    Mit einem hilflosen Lachen brach sie ab. Sie sah, wie er leicht die Augenbrauen hob. O verdammt, das lief nicht gut. Sie hatte es ganz falsch angefangen. Doch da zuckte es um seine Mundwinkel.
    „Um bei der Reihenfolge zu bleiben: Sie dürfen sich setzen und Sie stören nicht. Allerdings bin ich auch nicht alleine." Er deutete auf das aufgeschlagene Buch. „Wer kann ein treuerer Gefährte, ein besserer Begleiter sein als ein Buch?" Er zwinkerte ihr zu, doch sie sah verlegen in ihr Grogglas.
    „Und nun zu dem Thema belästigen und was ich nicht denken soll. Also, wenn ich länger darüber nachdenke, dann glaube ich, dass wir in einer Zeit angelangt sind, in der auch eine anständige Dame einen Herrn ansprechen darf. Habe ich alle Ihre Bedenken zerstreut?" Lächelnd sah er zu ihr hinüber, und sie lächelte erleichtert zurück.
    „Bleiben wir doch bei der Literatur", fuhr er fort und drehte sein volles Weinglas in den Händen. „Ich befasse mich nun schon seit Jahren mit der Figur des Mephistopheles, und ich frage mich immer wieder: Ist er das Böse, da er Faust die Gelegenheit gibt, böse zu handeln, oder trägt nicht Faust das Böse selbst in sich, da er bereitwillig danach greift und die dunkle Macht für sich handeln lässt? Schließlich ist er es, der Gretchen beiwohnt, ihren Bruder tötet und sie schwanger zurücklässt."
    „Na ja", stotterte Sandra, „also ich hab Faust mal in der Schule gelesen, aber das ist schon so lange her, und, ja, also, ich hab damals auch nicht so richtig aufgepasst."
    Enttäuschung huschte über das bleiche Gesicht, doch als er sie fragte: „Welchen Lesestoff bevorzugen Sie? Vielleicht Shakespeare?", klang seine Stimme unverändert freundlich.
    „Och, ich lese eigentlich nur Krimis. Von Mary Higgins Clark und Elizabeth George und so."
    Peter von Borgo nickte langsam. „Ja, ja, die Abgründe der menschlichen Seele, ein wirklich faszinierendes Thema. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich mich nicht damit befasse, und doch muss ich immer wieder feststellen, noch kenne ich nicht alle Facetten der finsteren menschlichen Leidenschaft."
    „Sind Sie Schriftsteller oder Schauspieler oder so etwas?", fragte Sandra neugierig. „Sie drücken sich so- ungewöhnlich aus."
    Wieder huschte ein Lächeln über das Gesicht des Mannes.
    „Nein,

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