Der Duft des Blutes
habe vorher geklingelt. Schließlich gehst du sonst auch nicht vor zwölf ins Bett."
„Aha", sagte sie gedehnt. „Machst du so was öfters?"
Er lief rot an. „Nein, ich habe dir nur mal Briefe reingelegt. Bist du noch böse?"
Sabine seufzte. „Nur ein bisschen. Du musst mir aber versprechen, dass so etwas nicht wieder vorkommt, versprichst du das?"
Er nickte und lächelte sie schüchtern an.
„Ansonsten nehme ich dir nicht nur den Schlüssel ab, ich zeige dich auch wegen Hausfriedensbruchs an!"
„Das würdest du tun?", fragte er und sah so erschrocken aus, dass sich Sabine ein Grinsen verkneifen musste.
„Ja, das würde ich", sagte sie ernst. „Gute Nacht, Lars." Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, der Riegel rastete ein. Als die Kommissarin wenige Minuten später unter der heiß dampfenden Dusche stand, fiel ihr etwas ein. Vielleicht sollte sie Lars noch ein wenig ins Gebet nehmen. Konnte es sein, dass er die Zettel auf ihre Fußmatte gelegt hatte?
Und noch ein Gedanke kam ihr plötzlich. Peter von Borgo konnte ihr unheimlicher Beobachter jedenfalls nicht sein. Wie hätte er so schnell hierherkommen sollen, um sich unter dem Torbogen auf die Lauer zu legen? Sie dachte an das Motorrad. Oder vielleicht doch?
Sabine schlief unruhig in dieser Nacht. Immer wieder schreckte sie hoch und lauschte den nächtlichen Geräuschen ihrer Wohnung. Der Kühlschrank sprang brummend an, die Uhr im Wohnzimmer tickte, irgendwo knackte es. Zweimal schaltete sie alle Lichter an und ging in jedes Zimmer, um ihre zitternden Nerven zu beruhigen.
Um fünf klingelte das Telefon.
„Jetzt kriegen wir dich, du Mistkerl", knurrte die Kommissarin und war mit einem Sprung aus dem Bett.
„Liebste Sabine, ich habe heute nicht viel Zeit, sehen Sie es mir nach. Es gibt auch keine neuen Leichenfunde zu berichten. Ich wollte Ihnen nur sagen, wie sehr mir das Spiel gefällt. Strengen Sie Ihren Verstand an und lösen Sie den Fall -aber geben Sie acht. Es wäre schade, wenn ich als Nächstes Ihre Leiche in den Wäldern finden sollte."
„Warum sagen Sie das? Was wissen Sie über den Fall?"
Doch nur ein leises Klicken und dann ein Tuten antworteten ihr. Wütend knallte sie das Telefon in die Ladestation zurück. Ihr Blick huschte zur Uhr. Hatte das gereicht, um ihn ausfindig zu machen? Sie tippte die Nummer vom Präsidium und ließ sich dann mit der Technik verbinden. Die Beamten führten hier momentan für die Observation zweier Kiezgrößen die Telefonüberwachung durch, doch auch die eingehenden Anrufe für das Handy und das private Telefon der Kommissarin wurden aufgezeichnet.
Erst waren alle Leitungen besetzt, dann klingelte es unzählige Male, ohne dass einer abhob. Endlich hatte die Kommissarin einen Kollegen dran.
„Berner hier. Habt ihr ihn? Was ist denn bei euch los, man kommt ja gar nicht durch?"
„Hallo, Frau Berner, der Teufel ist hier los! Das ganze Präsidium ist in Aufruhr. Ich muss auch gleich wieder los."
„Können Sie mir trotzdem sagen, woher der Anruf kam?"
„Von hier, Frau Berner, hier aus dem Präsidium!"
Verblüfft hielt sie noch minutenlang den Hörer ans Ohr, obwohl der Kollege längst aufgelegt hatte. Ein Anruf direkt aus dem Wespennest. Er musste gewusst haben, dass ihr Telefon überwacht wurde, und dennoch rief er aus dem Präsidium an.
Wie war er da hineingekommen und vor allem, wie konnte er ungesehen wieder entkommen? Oder war er etwa ein Mitarbeiter des LKA, der sich nun frech mit auf die Suche machte? Sabine schüttelte ungläubig den Kopf. Entweder war er schrecklich dumm oder unheimlich dreist. Die Kommissarin tippte auf die zweite Möglichkeit.
In einer Nacht auf dem Kiez
Samstagnacht. Müde und um einiges Geld erleichtert strebten die Touristengruppen ihren gemütlichen Reisebussen zu, um sich in ihre Hotels karren zu lassen. Dicht gedrängt hatte an diesem Tag ein Highlight das andere gejagt, von der morgendlichen Stadtrundfahrt, der Hafenbesichtigung und dem Gang durch die Kunsthallen bis zum krönenden Abschluss: dem obligatorischen Abstecher zur sündigsten Meile der Welt.
Ein rotwangiger Oberbayer mit Bierbauch im fortgeschrittenen Stadium hob zum Abschied grüßend die Hand und rief dem Türsteher am Dollhouse: „Hummel, Hummel, Mors, Mors", zu, um seinem neuen Duzfreund zu beweisen, dass er die hanseatischen Sitten schon perfekt beherrschte.
Während die Busfahrer ihre Schäfchen einsammelten, ging es in den angesagten Discos und Kneipen auf dem Kiez erst richtig zur
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