Der Duft des Blutes
kam er wieder näher.
„Nein, bestimmt nicht. Ich versichere Ihnen, ich bevorzuge Frauen -schlanke, hübsche Frauen -, so wie Sie eine sind."
„Dann sind Sie verheiratet oder fest liiert?", forschte sie weiter.
„Auch das nicht." In seiner Stimme schwang Verlangen. Er fasste sie an beiden Schultern und drehte sie herum, dann zog er den Reißverschluss auf, ganz langsam, Zentimeter für Zentimeter. Sabines Atem wurde schneller. Sie spürte seine kühlen Fingerkuppen auf ihren Schultern. Die Träger des Kleides wurden nach außen geschoben, bis sie keinen Halt mehr fanden und die Seide mit einem Seufzer zu Boden glitt. Es war fast dunkel im Zimmer. Nur die Laterne im Hof warf einen schwachen Lichtschein herein.
Er schritt um sie herum und saugte ihr Bild und ihren Duft in sich auf, wie sie so vor ihm stand, nur mit einem schmalen weißen Spitzenhöschen bekleidet. Ihre Brustwarzen richteten sich unter seinem Blick auf. Fragend sah ihn Sabine an, als er ihre Bettdecke zurückschlug und nach ihrem Nachtgewand griff.
„Schlafen Sie jetzt, Sabine." Er liebkoste ihren Namen. „Es ist spät geworden."
Und dann war er verschwunden. Sie hörte ihn nicht weggehen. Es war, als löse er sich einfach in nichts auf. Da stand sie fast nackt in ihrem Zimmer, den Schlafanzug an die Brust gedrückt, und suchte die nächtlichen Schatten mit den Augen ab. Er war weg! Sie war erregt und verwirrt und doch plötzlich auch von bleierner Müdigkeit erfüllt. Mit unsicheren Bewegungen schlüpfte sie in ihren Schlafanzug und ließ sich ins Bett sinken. Mit gierigen Fingern griffen die Träume nach ihr und zogen sie hinab in ihre eigene Welt.
So viel Tod, so viel Leid
„Und hier ist Ihr Fun-Fun-Radio 95 mit den besten Hits der Sechziger und Siebziger. Einen wunderschönen guten Morgen!"
Sabine fuhr in ihrem Bett hoch und sah sich erschreckt um, doch sie konnte nichts entdecken, das die schweißnasse Stirn und das rasch klopfende Herz rechtfertigen würde.
„Was für ein Traum!", seufzte sie, sprang aus dem Bett und knipste das Licht an, denn draußen war es noch fast völlig dunkel. Da fiel ihr Blick auf das schimmernde Seidenkleid, das wie hingegossen über dem Stuhl lag. Versonnen strich sie mit der Hand darüber. Sie musste es reinigen lassen und ihm dann zurückbringen. Gähnend tappte sie ins Bad unter die Dusche, als sie plötzlich schmerzlich das Gesicht verzog.
„Aua!"
Verwundert betrachtete sie die dicken Blasen an ihren Füßen. Zwei davon hatten sich mit Blut gefüllt und waren nun aufgeplatzt. Wo hatte sie sich die denn geholt? Vergeblich versuchte Sabine, sich daran zu erinnern, wie sie nach Hause gekommen war. Hatte er sie gefahren oder waren sie gar von der Musikhalle bis nach St. Georg gegangen? Und was war dann passiert? Ein wohliger Schauder lief ihr über den Rücken, doch sosehr sie auch suchte, sie konnte keine Erinnerungen finden.
Plötzlich fiel ihr das Bandgerät ein. Nackt und noch triefend nass eilte sie in den Flur und griff hektisch in die Manteltasche. Da war es! Sie spulte das Band ein Stück zurück und ließ es dann laufen. Glasklar erklang die Frage der Kommissarin:
„Kennen Sie eine Edith Maas?"
„Nein, der Name sagt mir nichts." Der Raum war erfüllt vom Klang seiner Stimme.
„Vielleicht ist Ihnen die Dame unter dem Namen Ronja bekannt?"
Ein winziges Zögern. „Da war eine Frau, die sich Ronja nannte. Sie arbeitete als Modell, als Callgirl. Sie wurde vor drei Wochen ermordet im Moor gefunden, nicht?"
Sabine ging ins Bad zurück, trocknete sich ab und cremte sich ein.
„Ich meine, kannten Sie sie persönlich?"
Wieder diese Pause. Es war ihr, als könnte sie sein Entschuldigung heischendes Lächeln sehen.
„Ja, ich war einige Male bei ihr zu Besuch. Sie war sehr hübsch, gepflegt und nicht ungebildet."
Das Dröhnen des Föhns übertönte ihre nächste Frage.
„Moin", grüßte Sabine und hinkte zu ihrem Schreibtisch.
Sönke sah von seiner Akte hoch. „Was'n mit dir los?"
„Cinderella hat die Nacht mit ihrem Prinzen durchgetanzt und dann wohl den Schuh verloren."
„Is ja n Ding", antwortete Sönke trocken und wandte sich wieder seiner Akte zu.
Sabine gönnte sich kaum einen Schluck Kaffee, dann war sie auch schon wieder auf dem Weg zur Tür.
„Kein Sitzfleisch! Was'n nu schon wieder?"
Sie wedelte mit dem Bandgerät. „Jetzt kläre ich ab, ob der gnädige Herr von Borgo etwas mit meinen merkwürdigen nächtlichen Anrufen zu tun hat."
Sie hinkte in die Technik
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