Der Duft des Blutes
hinüber. Unterwegs traf sie Björn Magnus, der heute Morgen schon Fotos von einem schweren Verkehrsunfall gemacht hatte und nun fürs Rauschgiftdezernat ein Lagerhaus am Reiherstieg ablichten musste. Zwischen Öldosen und Maschinenersatzteilen hatte man ein merkwürdiges weißes Pulver entdeckt.
„Wie geht es dir?", fragte sie den Fotografen freundlich.
„So lala. Ich habe gestern Abend versucht, dich anzurufen. Dachte, du hast vielleicht Lust, mit mir ins Kino zu gehen."
Sabine fühlte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. „Ich hatte noch eine Befragung, und dann war ich im Konzert in der Musikhalle."
„So wie du hinkst, hätte ich eher darauf getippt, dass du die Nacht über in der Disco warst", neckte sie Björn.
„Ach, was ich dich noch fragen wollte", wechselte die Kommissarin das Thema, „gibt es Aufnahmen von Nadine Horvac, als man sie ins Krankenhaus eingeliefert hat?"
Björn blieb vor dem Labor stehen. „Ich war nicht dort, doch die Leute von der Uniklinik haben Fotos gemacht. Ich habe die Bilder entwickelt und an die Sitte weitergegeben."
„Dann leg mir doch bitte auch noch einen Satz Abzüge auf den Tisch."
„Wird sofort erledigt!" Er salutierte und verschwand dann in seinem Labor, während Sabine weiter den Gang entlang humpelte.
„Was soll das heißen: Sie ist nicht mehr auffindbar?", schrie die Kommissarin die Assistentin an, die kleinlaut den Kopf einzog.
„Die Aufnahme ist weg. Ich habe schon alles durchsucht. Hier war sie einsortiert, ganz bestimmt!" Sie zeigte auf einen abschließbaren Metallschrank. Tränen standen in ihren Augen.
„Gibt es denn keine Kopie? Oder ist es noch auf irgendeinem Rechner gespeichert?"
Die um einen Kopf kleinere Frau schüttelte den Kopf. „Ich habe am Montag Kopien gezogen, doch da ist die Aufnahme auch nicht dabei."
„Das gibt es doch gar nicht!", rief Sabine aufgebracht und stürmte hinüber ins Büro des Chefs. Die wunden Füße waren vergessen. Sie beachtete die Sekretärin, die sie aufhalten wollte, gar nicht, sondern riss einfach die Tür auf.
„Frau Berner?", fragte der fast zwei Meter lange Chef der Abhörtechnik ruhig.
„Können Sie mir sagen, wie eine Telefonaufzeichnung so einfach aus Ihrer Abteilung verschwinden kann? Was ist denn das für ein Schlamperladen?"
Noch immer blieb er ruhig, doch seine Wangen röteten sich ein wenig.
„Ich werde das überprüfen. Wollen Sie die Vergleichsaufnahme bei mir lassen?"
„Nein, die nehme ich wieder mit. Ich muss die Befragung noch abschreiben lassen", fügte sie hinzu, als sie sah, wie sich der Technikchef zu einer Rechtfertigungsrede aufplusterte. Unter der Tür drehte sie sich noch einmal um.
„Ach, und lassen Sie die Briefe heraussuchen, die in meiner Wohnung gefunden wurden."
„Sowohl der Telefonmitschnitt als auch die beiden Briefe sind spurlos verschwunden", wiederholte Sabine Berner das Unfassbare, als sie mit Sönke Lodering eine Stunde später bei Hauptkommissar Ohlendorf im Büro saß.
„Dammi noch mol, das sind aber ein paar Dümpel in der Technik drüben", schimpfte Sönke.
Thomas Ohlendorf sagte erst einmal gar nichts.
„Bist du sicher?", fragte er dann noch einmal nach.
„Der Kuhlenkamm hat noch mal alle Schränke durchwühlt und die Dateien durchsucht. Nichts!"
„Hm, dann sieht mir das fast nach Absicht aus."
„Du meinst, er ist hier eingedrungen und hat die Aufnahmen und Briefe geklaut?", fragte Sabine ungläubig.
„Oder es ist einer aus dem Haus", fügte Sönke hinzu.
Thomas nickte. „Ja, das sollten wir nicht außer Acht lassen."
„So 'ne Schiete!", brummte der Kriminalobermeister.
Am Nachmittag fuhr Sabine mit einer Kommissarin des Sittendezernats zur Uniklinik nach Eppendorf, um Nadine zu befragen. Das Gesicht zugeschwollen und mit dunklen Krusten übersät, um den Kopf einen dicken Verband, lag sie bleich in ihrem Bett und schwieg. Langsam perlte die Infusionslösung aus dem durchsichtigen Beutel über ihr durch einen Schlauch in ihren Arm. Die abgeschürften Hände lagen gefaltet auf der weißen Decke.
„Nadine, bitte, wollen Sie denn nicht, dass die Männer bestraft werden, die Ihnen das angetan haben?", versuchte Sabine es noch einmal.
Die junge Frau presste die Lippen fest aufeinander.
„Ich erzähle Ihnen mal, was ich mir so denke", fuhr Sabine fort. „Der Zuhälter Ihrer Freundin Ronja handelt mit Drogen und deponierte diese ab und zu in Ronjas Wohnung. Sie fanden das Ecstasy und nahmen einen Teil davon mit. Sie haben versucht,
Weitere Kostenlose Bücher