Der Duft des Blutes
streifte ihm nur die Schuhe ab und zog die Bettdecke über seine Schultern. „Ich werde ihn am Montag zum Arzt schicken. Vielleicht hat er bei dem Überfall doch mehr abgekriegt, als es den Anschein hatte", sagte sie besorgt und strich ihm über die Wange. Da öffnete der junge Mann die Augen. Er lächelte Sabine an, griff nach ihrer Hand und zwang sie, sich zu ihm herabzubeugen.
„Gib zu, ich war überzeugend und habe dich aufs Glatteis geführt", flüsterte er heiser. „Einen Moment hast du an meine Vampirgeschichte geglaubt."
„Mehrere Momente habe ich geglaubt, du seist nicht ganz richtig im Kopf", entgegnete sie barsch und befreite sich aus seiner Umklammerung. „Jetzt schlaf dich erst einmal aus. Ich will dich erst wieder sehen, wenn du ganz nüchtern bist." Noch einmal streichelte sie seine Wange. Seine Augenlider flatterten und sanken dann herab. Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen fiel er in tiefen Schlaf. Sabine verließ hinter ihrem zweiten Besucher die Wohnung des jungen Schriftstellers.
So, den ersten Gast war sie los, doch was sollte sie mit dem zweiten tun? Es kribbelte schon wieder in ihrem Bauch, als ob sich ein ganzer Ameisenhaufen darin eingerichtet hätte. Sie musste ihn loswerden, bevor sich wieder alle Vernunft verabschiedete und sie sich ihm in ungezügelter Lust an den Hals warf. Verdammt, das Nonnenleben bekam ihr einfach nicht!
Peter von Borgo blieb vor ihr im Flur stehen und griff nach seiner Lederjacke. „Es ist wohl besser, wenn ich mich jetzt verabschiede. Es ist schon spät, und Sie sind müde. Ich bin nur gekommen, um Ihnen zu sagen, wie sehr ich es bedauere, dass ich Sie verärgert habe", fuhr er fort und beantwortete ihre unausgesprochene Frage. „Es tut mir leid, dass ich Sie angelogen habe. Bitte glauben Sie mir, Ihre Gesellschaft, Ihre Nähe und Ihr Vertrauen sind mir sehr wichtig, daher habe ich mir erlaubt, Ihnen ein kleines Geschenk mitzubringen."
Peter von Borgo zog ein in Silberpapier gewickeltes Päckchen aus seiner Lederjacke, auf dem eine Rose befestigt war, die im gedimmten Lichtschein samtig schwarz schimmerte.
„Danke, ich...", stotterte Sabine, als er nach ihrer Hand griff und einen Kuss daraufhauchte. Dieses Mal waren seine Hand und die Lippen angenehm warm.
„Auf Wiedersehen!"
Und schon war er verschwunden, so schnell und lautlos, wie er gekommen war. Langsam schloss Sabine die Tür. Sie trat ins Wohnzimmer, löschte das Licht und sah hinunter auf die Straße. Die Nacht war nasskalt. Nur noch wenige Passanten waren unterwegs. Sabine gähnte und beschloss eben, in ihr Bett zu gehen, als drüben im Durchgang zur Kirche plötzlich ein Flämmchen aufflackerte. Die Ahnung eines Gesichts leuchtete auf, dann nur noch das Glimmen einer Zigarette in der Dunkelheit. Sabine stand wie erstarrt in ihrem dunklen Wohnzimmer und sah hinunter in die Nacht.
Da, ein Schatten löste sich. Das Licht der Laternen streifte einen Trenchcoat. Der Mann schritt auf den geparkten schwarzen Golf zu, zog die Fahrertür auf und setzte sich hinein, doch er fuhr nicht los. Die Kommissarin konnte seine Silhouette hinter der Scheibe erahnen.
Ohne Licht zu machen, tastete sich Sabine in den Flur, nahm das Telefon von der Ladestation und wählte die Nummer des Reviers am Steindamm. Seit ein paar Tagen wurde ihre Wohnung nicht mehr bewacht, und schon heftete sich wieder ein Verfolger an ihre Fersen. Während es klingelte, eilte sie ins Wohnzimmer zurück. Der schwarze Golf war immer noch da.
„Berner hier, LKA 41", meldete sie sich, als am Steindamm endlich jemand abhob. „Können Sie bitte mal einen Wagen vorbeischicken, um jemanden für mich zu überprüfen? Ein Mann, er sitzt in einem schwarzen Golf, schräg gegenüber dem Haus Nummer 83 in der Langen Reihe. Der Mann ist mir schon mehrmals gefolgt, und nun hält er sich ohne ersichtlichen Grund vor meiner Haustüre auf."
Der Peterwagen brauchte nur fünf Minuten, aber dennoch kam er zu spät. Kaum hatte die Kommissarin aufgelegt, wurde unten ein Wagen angelassen, die Scheinwerfer flammten auf und der schwarze Golf jagte die Lange Reihe enüang.
„So ein Mist", fluchte Sabine, die immer noch hinter der Scheibe des Wohnzimmerfensters stand. „Als wenn er es gehört hätte!"
Die beiden Männer der Streife kamen auf eine Tasse Kaffee herauf und ließen sich die Geschichte noch einmal genau erzählen. Sie versprachen, die Augen offenzuhalten und in den nächsten Tagen öfters in der Langen Reihe vorbeizuschauen. Es war nach
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