Der Duft des Blutes
Knopf. Sollte sie ihn hereinlassen? Was wollte er zu dieser Zeit bei ihr? Eigentlich sollte sie ihn rüde fortschicken, doch sie war neugierig, was er des Nachts hier wollte. Ihr Blick wanderte zum Wohnzimmer. Immerhin war Lars noch da, sodass es ihr ungefährlich erschien -aber auch lange nicht so reizvoll, als wenn er nicht dabei gewesen wäre. Ihr Zeigefinger berührte den grünen Knopf.
„Ist gut, kommen Sie rauf."
Nur wenige Augenblicke später betrat Peter von Borgo den engen Flur. Kein Schritt auf der Treppe hatte sein Kommen angekündigt, nur ein kühler Lufthauch strich über den Vorplatz.
„Eine ungewöhnliche Besuchszeit, Herr von Borgo, aber bitte, kommen Sie herein. Mein Nachbar, der Schriftsteller Lars Hansen, hat mir gerade aus seinem Manuskript vorgelesen." Sie führte den Vampir ins Wohnzimmer und machte die beiden Besucher miteinander bekannt.
Peter von Borgo nickte dem jungen Mann zu und ließ sich dann in einem der bequemen Sessel nieder. Wie üblich trug er nur Grau und Schwarz. Lars musterte die schlanke Gestalt mit dem blassen, glatten Antlitz feindselig.
„Jetzt habe ich Sie unterbrochen", entschuldigte sich Peter von Borgo mit leiser Stimme und sah zu Sabine hinüber, die wieder auf dem Sofa Platz genommen hatte. Der seidige Klang seiner Stimme ließ sie schaudern. Sie verschüttete ein wenig Prosecco, als sie ein Glas füllte und es zu ihm hinüberschob.
„Wir sprachen gerade über Vampire", beendete sie das Schweigen, das sich zwischen ihren beiden Besuchern ausbreitete.
Ein Lächeln umspielte die blassen Lippen. „Welch faszinierendes Thema. Handelt Ihre Geschichte davon?", fragte Peter von Borgo interessiert und nickte Lars zu, der noch immer die Seiten in der Hand hielt, doch der junge Schriftsteller schwieg beharrlich.
„Lars ist vor ein paar Tagen überfallen worden, als er nachts vom Joggen zurückkam. Er war am nächsten Tag ganz schwach, konnte sich aber nicht mehr an den Vorfall erinnern. Und dann waren da noch die Kratzer an seinem Hals." Sabine lächelte und prostete den beiden Männern zu.
„Das hat Lars auf die Idee gebracht, eine Vampirgeschichte zu schreiben."
Peter von Borgo nippte an seinem Prosecco.
„Warst du eigentlich bei der Polizei?", iragte die Kommissarin und schenkte Lars das Glas noch einmal voll.
Lars Hansen schüttelte den Kopf. „Was hätte das für einen Sinn' gehabt?" Er fixierte Peter von Borgo mit zusammengekniffenen Augen. „Sabine hat das nicht ganz korrekt erzählt. Ich kann mich durchaus an den Überfall erinnern, doch das, was ich weiß, taugt nicht, dass ich einem Polizisten davon erzähle."
Sabine blickte ihn erstaunt an, doch Lars sah zu Peter von Borgo hinüber, der sich entspannt in seinem Sessel zurücklehnte und den Blick aus tiefschwarzen Augen erwiderte.
„Nun haben Sie mich aber neugierig gemacht", schnurrte der Vampir und legte die schlanken, weißen Hände elegant in seinem Schoß übereinander. Der Smaragd an seinem Finger funkelte.
Auch Lars senkte die Stimme und beugte sich ein wenig in seinem Sessel nach vorne. „Ich wurde überfallen, als ich vom Joggen nach Hause kam, hier im Treppenhaus, vor meiner Wohnung. Der Kerl hatte Kräfte, wie sie kein normaler Mensch haben kann. Ich hatte keine Chance. Mein Widerstand war zwecklos, und dennoch kämpfte ich wie ein Wilder, denn schon als ich den kalten Atem an meinem Hals fühlte, wusste ich, dass ich einem Vampir in die Hände gefallen war."
Sabine lachte glucksend, doch die beiden Männer sahen sich mit ernster Miene an.
„Hat er Sie gebissen?", fragte Peter von Borgo.
„Ja, ich kann seine Zähne noch immer spüren", raunte Lars, ohne den anderen aus den Augen zu lassen. „Er hat mir mein Blut gestohlen. Gierig hat er es getrunken, um sich durch das mir geraubte Leben seine eigene unselige Existenz zu ermöglichen."
„Und doch haben Sie überlebt", gab Peter von Borgo zu bedenken.
„Ja, als er satt war, hat er mich weggeworfen, wie man eine geleerte Flasche oder Milchtüte wegwirft. Eine leere Hülle, nur noch Abfall. Es ist ein Wunder, dass ich es geschafft habe."
„Dann darf ich Sie zu Ihrer Errettung beglückwünschen", sagte der Vampir trocken und hob sein Glas.
„Ja, das dürfen Sie", gab Lars zurück und leerte das seine in einem Zug.
„Jetzt ist es aber genug mit diesem Blödsinn", mischte sich Sabine ein und gab Lars widerstrebend die Flasche, nach der er so fordernd die Hand ausstreckte.
„Blödsinn?", fragte der Vampir und lächelte die
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