Der Duft des Blutes
Sabine deren Wohnung. Wie selbstverständlich machte er es sich im Wohnzimmer bequem und strich zwei zerknüllte Blätter glatt.
„Trinken wir noch einen Schluck zusammen?", fragte er.
Sabine schwankte zwischen Ärger und Belustigung.
„Also gut, ich mach uns einen Prosecco auf, und du fängst an zu lesen. Ich will heute noch ins Bett kommen."
Sabine holte die Flasche aus dem Kühlschrank, entfernte die Folie und löste dann vorsichtig den Korken. Mit einem leisen Flupp bohrte er sich in ihre Hand. Ein kühler Nebel stieg aus dem grünen Flaschenhals auf, als sie die Gläser füllte. Ihre Gedanken huschten zwischen Peter von Borgo und dem Polizeifotografen hin und her, sodass sie nur mit einem Ohr zuhörte, was Lars ihr vorlas, doch plötzlich war sie hellwach und ganz bei der Sache.
„In einem finsteren Hauseingang verborgen, wartete er auf sein nächstes Opfer. Als der Mond hervortrat, streifte sein silbernes Licht die große, schlanke Gestalt. Sein Antlitz war von wächserner Blässe, sein langes Haar so schwarz wie die Nächte des Neumondes. Schwarz waren auch sein langer Mantel, seine Hose und die altmodischen Schuhe. Nur in den Mundwinkeln glänzte es rot, bis die Blutstropfen seines letzten Opfers zu unscheinbarem Braun vertrockneten. Doch sein Durst war noch lange nicht gestillt."
„Das gehört aber nicht zu deinem Buch. Was ist das?"
„Unterbrich mich nicht!", schimpfte Lars und wandte sich wieder seiner Geschichte zu.
„Da streifte ein Geräusch sein Ohr, das ihn aufhorchen ließ: das Klatschen von Schritten im schnellem Lauf auf dem feuchten Asphalt! Und da kam der Jogger auch schon um die Ecke gebogen. Ein junger Mann von sehnig schlankem Körperbau, dessen kraftvolle Waden sich unter den eng anliegenden Sporthosen spannten. Sein erhitzter Körper leuchtete rötlich in der kühlen Nachtluft. Der Vampir leckte sich die Lippen. Obwohl er junge Frauen bevorzugte, kamen sportliche, gut aussehende junge Männer gleich an zweiter Stelle. Lautlos setzte er seinem Opfer nach. Der junge Erfolgsschriftsteller..."
Sabine konnte ein Glucksen nicht unterdrücken, zu offensichtlich legte Lars bei der Beschreibung seiner Hauptperson seine Träume offen.
„Warum lachst du?", fragte der junge Mann misstrauisch und runzelte die Stirn.
„Hat nichts mit deinem Text zu tun", wehrte Sabine rasch ab. „Lies weiter."
Er brummelte und warf noch einen Blick zum Sofa hinüber, doch dann wandte er sich wieder seiner Geschichte zu.
„Der junge Erfolgsschriftsteller verlangsamte seine Schritte und blieb dann vor der Haustür seiner alten Jugendstilvilla stehen. Er hatte den Schlüssel schon im Schloss, als er plötzlich von kalten Händen zurückgerissen wurde. Der junge Mann war gut durchtrainiert und nicht gerade ein Schwächling, doch gegen die übermenschliche Kraft seines Gegners vermochte er nichts auszurichten. Er fühlte, wie sich zwei eisige Spitzen in seinen Hals bohrten. Ein saugendes Geräusch erklang in seinem Ohr. Er hörte sein Blut rauschen, das in dem gierigen Schlund verschwand, Schluck für Schluck."
Lars ließ das Manuskript sinken und sah Sabine erwartungsvoll an. „Nun, wie findest du das?"
„Wie wird die Geschichte weitergehen?"
„Der Vampir schwächt sein Opfer nur und verschwindet dann. Ich weiß noch nicht, wie ich den Schriftsteller nennen soll, sagen wir Thomas. Also, Thomas schleppt sich mit letzter Kraft in die Diele seines Hauses und wird dann bewusstlos. Der Schriftsteller wohnt nicht alleine. Er hat einen Teil der Villa an eine Schauspielerin vermietet. Sie heißt Julia, und Thomas ist in sie verliebt. Als Julia in der Diele ein Geräusch hört, kommt sie nachsehen, was passiert ist, und findet ihn ganz blass und ohnmächtig. Sie schleppt ihn in ihr Zimmer, wickelt ihn in eine Decke und..."
„...flößt ihm heiße Milch ein."
„Ja, genau."
„Und Julia verliebt sich unsterblich in Thomas."
Lars' Wangen röteten sich. „Ja, aber das merkt sie erst viel später, als er den Vampir gejagt und zur Strecke gebracht und Julia aus den Klauen des Vampirs befreit hat, denn er hat sie entführt und wollte sie zu seiner Gespielin machen, doch Thomas kommt gerade noch rechtzeitig..."
Das Läuten an der Tür unterbrach ihn. Die Kommissarin zog verwundert die Augenbrauen zusammen und sah auf die Uhr. Kurz nach zwölf. Wieder klingelte es.
„Wer ist da?", fragte sie.
„Peter von Borgo", erklang die Antwort aus der Sprechanlage.
Sabines Hand schwebte zitternd über dem grünen
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