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Der Duft des Bösen

Der Duft des Bösen

Titel: Der Duft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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Vielleicht hat er etwas gekauft. Er hat mit uns gesprochen. Und dabei ist er dauernd herumgeschlichen und hat die Sachen der toten Mädchen in Ihrem Laden versteckt.«
    »O ja, das ist mir klar.« Inez verwandelte den unvermeidlichen Seufzer in ein Hüsteln.
    Um halb sechs kamen Crippen und Jones wieder. Inzwischen war Will schon fast eine halbe Stunde zu Hause. Kaum sah Inez die beiden aus dem Wagen steigen, ließ sie das Geschäft bis zum Ladenschluss um sechs Uhr in Zeinabs Obhut und ging hinauf. Will, der bereits vor dem Fernseher saß, wäre es nie eingefallen, einem Besucher eine Tasse Tee anzubieten, deshalb lud sich Inez unverblümt ein. Sie würde ihn selbst machen, meinte sie. Er müsse sich nichts denken, alles sei in Ordnung, aber jetzt kämen zwei Polizisten und würden sich mit ihm über die Mädchenmorde unterhalten. Ob er wüsste, wovon sie spreche? Er nickte, obwohl er es eigentlich nicht wusste, nicht so richtig. Sie sei ja da, sagte sie, wobei sie sich wie der Anwalt eines Verdächtigen vorkam, den man auf die Polizeiwache gerufen hatte. Allerdings würde sie sich wenigstens während der ersten Minuten in der Küche aufhalten.
    Will wirkte nicht nervös, sondern schien das zu akzeptieren. Auf Inez’ Vorschlag hin stellte er den Fernseher ab. Kaum war das Gerät ausgeschaltet, klingelte es an der Haustür. Mit dieser Situation kannte sich Will aus. Er hob den Hörer der Sprechanlage ab, sagte ›Hallo‹ und drückte dann auf den Türöffner. Die beiden Beamten kamen herauf, und Will sagte zu ihnen den Satz, den ihm Inez einflüsterte: »Bitte, kommen Sie herein.«
    »Mr. Cobbett?«
    Will nickte, obwohl ihn niemand je so anredete. Draußen in der Küche behielt Inez den Kessel mit dem siedenden Teewasser im Auge.
    »Haben Sie das schon mal gesehen?« Jones zog aus seiner Tasche das Silberkreuz, das noch immer in der sterilen Tüte lag.
    Will schaute es an, schüttelte den Kopf und sagte: »Das habe ich noch nie gesehen.«
    »Wissen Sie, was das ist?«
    Unter den weitaus prächtigeren Juwelen aus »Der Schatz in der Sixth Avenue« hatte sich ein ähnlich großes Goldkreuz befunden. Daran erinnerte sich Will noch genauso gut wie an die meisten Details dieses Films. »Das ist ein Kreuz.«
    »Es gehörte Gaynor Ray, deren Leiche vergangene Woche in Nottingham gefunden wurde. Daran erinnern Sie sich noch, oder?«
    Dies war das Stichwort für Inez, um auf ihre Anwesenheit aufmerksam zu machen beziehungsweise dies durch ein Geräusch zu tun, das offensichtlich von Menschenhand verursacht wurde. Sie klapperte mit den Teetassen. Als Crippen sagte, »Da ist doch jemand«, kam sie mit einem unschuldigen Lächeln heraus.
    »Möchten Sie eine Tasse Tee, Mr. Crippen?«
    »Nein, danke. Ich hatte den Eindruck, wir wären allein.«
    »Wirklich? Für Sie einen Tee, Mr. Jones?«
    Nach einem Blick zu seinem Vorgesetzten warf Jones jegliche Zurückhaltung über Bord und bejahte. Sehr gern, vielen Dank. Inez lächelte triumphierend und meinte leichthin: »Ich werde meinen Tee trinken und dann gehen. Leider kann ich ihn nie trinken, solange er heiß ist.«
    »Mr. Cobbett, sind Sie sicher, dass Sie das noch nie vorher gesehen haben?«
    »Nein, hat er Ihnen doch erklärt«, sagte Inez in ihrer Rolle als hilfreiche Anwältin.
    »Vielen Dank, Mrs. Ferry. Gehen Sie oft in Mrs. Ferrys Laden?«
    »Ich gehe nie in den Laden«, erwiderte Will. »Nur an einem Tag.« Er versuchte sich an den Wochentag zu erinnern. Vergebens. »An einem Tag schon, oder, Inez?«
    »Das war letzte Woche und bisher das einzige Mal.«
    Kaum hatte Inez diesen Satz ausgesprochen, wurden ihr die Folgen klar. Doch was hätte sie sonst sagen sollen? Will sprach offensichtlich stets die Wahrheit. Vielleicht war er zu unschuldig und arglos, um zu wissen, wie man das vermeidet. Er lächelte unbehaglich.
    »Na schön, Mr. Cobbett. Das wär’s dann momentan. Wir werden uns sicher noch mal mit Ihnen unterhalten wollen. Machen Sie schon, Jones, wenn Sie den Tee nicht trinken können, müssen Sie es eben sein lassen.«
    Nachdem sie Will versichert hatte, dass sie wiederkäme, begleitete Inez die beiden mit Tasse und Untertasse in der Hand hinaus. Im Treppenhaus fragte Crippen unverblümt: »Was ist mit dem los? Ein bisschen komisch, was? Hat wohl nicht alle Tassen im Schrank?«
    Trotz ihrer Empörung wusste Inez, dass sie besser beraten wäre, sich nichts anmerken zu lassen. »Will Cobbett«, sagte sie würdevoll, »ist ein normaler junger Mann, der

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