Der Duft des Meeres
geschafft!
Oscar legte das Fernglas weg und rollte die Karte auf. Sie schimmerte wie gehabt und hinterließ Goldstaub auf seinen Fingern, doch wieder war da kein bernsteinfarbener Blitz. Selbst ohne den Blitz und die funkelnden Buchstaben zerstreute die Karte, wann immer Camille sie sah, jeden Zweifel, ob der Umandu real war oder nicht. Wie genau der Stein ihren Vater an die Oberfläche des Tasmanischen Meeres bringen würde, war eine andere Frage.
»Seht ihr diesen Meerbusen?« Oscar zeigte auf die Karte. Alle bis auf Monty, der am Ruder stand, beugten sich vor. Der Meerbusen lag leicht südlich von Talladay.
»Was soll damit sein?«, fragte Lucius. Er kaute desinteressiert auf seinen Fingernägeln. Er hatte seine Meinung bereits kundgetan und erklärt, die ganze Angelegenheit mit dem magischen Stein sei Wahnsinn. Als Lucius zum zweiten Mal den Umandu verspottet hatte, hatte Ira ihm mit Absicht ein Bein gestellt, sodass er mitten in ein offenes Fass mit Fett gefallen war.
»Von dort aus kommt man schneller auf den Pfad zum Stein als vom Hafen aus«, sagte Oscar. Er fuhr mit dem Finger vom Meerbusen durch einen gezeichneten Wald zu der schimmernden silbernen Ader. Die Karte wirkte uralt, und Talladay war ein junger Hafen, der eigentlich noch gar nicht hätte eingezeichnet sein können, und Camille konnte sich nicht erklären, warum er auf der Karte überhaupt deutlich zu erkennen war. Es musste irgendwie mit der Magie zu tun haben. Die schimmernde silberne Linie begann im Hafen von Talladay, aber wenn sie in den Meeresbusen segelten und dort an Land gingen, würde das eine erhebliche Abkürzung sein.
»Denken Sie, dass dieser McGreenery dort vor Anker gegangen ist?«, fragte Ira.
»Nein, dafür ist er zu eitel. Er würde im Hafen anlegen. Außerdem denkt er nicht, dass seine Konkurrenz noch lebt«, antwortete Camille. Zum ersten Mal seit dem Streit in der Speisekammer sahen sie und Oscar einander in die Augen. »Wir können vielleicht die verlorene Zeit wettmachen.«
Er nickte und rief Monty zu: »Steuern Sie den Meerbusen an!«
Monty drehte das Steuerrad. Der Mastbaum schwenkte über ihre Köpfe und sie duckten sich. Die Lady Kate änderte ihren Kurs und fuhr auf den kleinen Meerbusen zu. Als sie näher heransegelten, schien der Wald sich zu verdunkeln. Jeder Stamm war nur höchstens einen halben Meter vom nächsten entfernt. Ein Fels von der Größe von Camilles Stadthaus in San Francisco machte es unmöglich, näher als zweihundert Meter an den schmalen Strand des Meerbusens zu kommen. Sie refften die Segel und holten sie ein, und sobald der Anker auf den Boden gesunken war, kam die Lady Kate zum Stillstand.
»Die Klippen reichen bis weit landeinwärts«, sagte Oscar, während Ira und Lucius das einzige Beiboot in das ruhige Wasser hinabließen.
»Wir haben genug Wasser für drei Tage«, erklärte Camille und griff nach dem Seesack mit den Feldflaschen, einem Gewehr, einer Schachtel Munition und einer mit Phosphorstreichhölzern, Stockfisch, Bohnen, der einzigen Kanne und einem Löffel. Nur sie und Oscar verließen die Lady Kate. Monty weigerte sich, sein Schiff zu verlassen, und selbst wenn Lucius angeboten hätte mitzukommen, was er nicht getan hatte, hätte Camille abgelehnt.
»Ira, wir könnten dort draußen Ihre Hilfe gebrauchen«, versuchte Oscar es ein letztes Mal.
Ira schüttelte den Kopf.
»Wie ich bereits gesagt habe, mein Freund, ich riskiere meinen Hals nicht, wenn es mir nichts nützt.«
Oscar kletterte die Leiter hinunter und stieg ins Beiboot. Camille warf ihm den Sack mit Vorräten zu, dann folgte sie ihm.
Oscar band das Beiboot los und ergriff die Ruder. »Wenn wir in fünf Tagen nicht zurück sind«, sagte er mit einem schnellen Blick auf Camille, »lichtet den Anker.«
Er tauchte die Riemen ins Wasser und zog sie durch. Camille achtete auf das Ufer. Sie wollte nicht sehen, wie Ira, Monty oder auch nur Lucius ihnen nachschauten, denn sie hatte Angst, dass deren Skepsis ihre eigene nur noch vergrößern würde.
Bei Oscars fünftem kräftigem Ruderschlag in Richtung Strand stieß Ira einen durchdringenden Pfiff aus. »Oh, zur Hölle!«, rief er. »Okay, okay, aber erwarten Sie nur nicht von mir, dass ich das umsonst mache!«
Kapitel 21
Der Kiel des Beiboots, das jetzt mit drei Personen besetzt war, schabte über Sand, als sie ins seichte Wasser kamen. Ira und Oscar sprangen von Bord und zogen das Boot auf den Strand. Oscar half Camille heraus. Seine flüchtige Berührung ließ
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