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Der Duft des Meeres

Der Duft des Meeres

Titel: Der Duft des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Frazier
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»Die alte Dame hat eine ganze Reihe Jahre mehr auf dem Buckel als Sie, junge Frau. Wie wär’s, wenn Sie sich darum sorgen würden, ob die Töpfe geschrubbt sind?«
    Camille biss sich auf die Zunge und drehte ihm den Rücken zu. Monty ließ ihr keine Sonderbehandlung zukommen, seiner Meinung nach war sie einfach ein Mädchen und sollte nicht an Deck gelassen werden. Glücklicherweise hatten Oscar und Ira ihm das ausreden können. Die kleine Schaluppe mochte nur zwei Segel haben, aber es gab jede Menge Aufgaben, die erledigt werden mussten. Ein Leck ums andere musste abgedichtet werden, zerrissene und abgenutzte Segel mussten geflickt und geölt werden, verknotete Seile entwirrt und wieder aufgeschossen. Und dann war da das Essen. Drei Mahlzeiten plus Kaffee oder Tee sowohl am Tag als auch in der Nacht mussten zubereitet werden, und das meiste davon blieb Camille überlassen. Also versuchte sie, wann immer sie konnte, in einer Hängematte in der Kombüse zu schlafen.
    Oscar hielt Abstand, obwohl sie ihn einige Male dabei ertappt hatte, dass er sie anstarrte, während sie zusammen Wache hielten oder während einer Mahlzeit. Wann immer sie seinem durchdringenden Blick begegnete, sah sie mit einem schüchternen Lächeln weg.
    Zwei Tage unter vollen Segeln später schrubbte Camille gerade auf Händen und Knien den schmutzigen Kombüsenboden, als auf Deck die Glocke läutete und den Wachwechsel signalisierte. Die Wache bestand aus zwei Männern oder aus einem Mann und einer Frau, wenn sie an der Reihe war. Oscar kam die Kajütstreppe hinunter und in die Kombüse und sie setzte sich auf eine Bank am Tisch. Getrocknetes Blut bedeckte seinen Hemdsärmel, der vom Ellbogen bis zur Schulter aufgerissen war.
    »Was ist mit dir passiert?«, rief Camille und eilte auf ihn zu, um die Wunde zu untersuchen.
    »Eine Talje hat sich aus der Takelage gelöst«, antwortete er. Seine Augen waren schläfrig und blutunterlaufen.
    »Lass mich das sauber machen«, sagte sie.
    Er begutachtete seinen zerfetzten Hemdsärmel. »Das ist schon in Ordnung.«
    »Bis du Wundbrand bekommst«, gab sie zurück und griff nach einem sauberen Tuch. Die Wäsche von allen war ebenfalls Camilles Aufgabenbereich. Sie hatte das Gefühl, als würde sie alles an Bord der Lady Kate tun, und sah erst jetzt, wie luxuriös sie es auf der Christina gehabt hatte.
    Auf dem Tisch stand eine Schale mit kaltem Meerwasser bereit, um das Geschirr zu spülen. Sie tauchte das Handtuch hinein und deutete auf Oscars Hemd. Er verzog das Gesicht, knöpfte es auf und warf es beiseite.
    Die Schnittwunde war lang und tief, und Camille drehte sich der Magen um, als sie die Verletzung mit dem Handtuch berührte. Oscar zuckte zusammen, als das Meersalz in seine Wunde drang. Das rosa-weiße Fleisch blutete nicht länger. Camille wischte getrocknetes Blut von seiner Haut und wünschte, ein Arzt würde sie richtig säubern und vernähen.
    Gänsehaut bedeckte seine Brust und seine Arme. Ihr Blick ruhte auf seinem Rücken, auf den blassen Linien, die sie zum ersten Mal auf dem Waldpfad in den Bergen gesehen hatte. Etwa ein Dutzend Narben überlappten einander und waren wulstig verheilt. Als sie sie jetzt aus der Nähe sah, war sie davon überzeugt, dass sie von einer Peitsche oder einem Gürtel herrührten. Camille strich mit dem Finger sanft über die rauen Konturen auf seinem Rücken.
    »Wer hat dir das angetan?«, fragte sie. Sie dachte, er würde vielleicht wegzucken, aber er blieb still sitzen.
    »Mein Onkel.« Die Worte klangen bitter. Camille ließ die Hand sinken.
    »Nachdem deine Eltern gestorben waren?«, hakte sie nach.
    Er stand von der Bank auf. »Können wir ein andermal darüber reden?«
    Camille ließ das Tuch wieder in die Schale mit kaltem Wasser fallen und entschuldigte sich, um in die kleine Speisekammer neben der Kombüse zu gehen, die durch einen schweren Vorhang abgetrennt war. Sie brauchte nichts aus der Speisekammer. Sie hatte ihn zu schnell und zu sehr bedrängt. Vier Jahre lang hatte Oscar kaum einen Satz über sein Leben in Boston verloren. Sie konnte nicht erwarten, dass er ihr nach einer einzigen Nacht, in der sie sich in den Armen gelegen hatten, alles offenbaren würde.
    Der Boden knarrte unter dem Türrahmen zur Speisekammer, als Oscar ihr folgte. Sie versuchte, ihre geröteten Wangen zu verbergen.
    »Er war Kutscher in Boston und hat dieselbe Peitsche bei mir benutzt wie bei seinem Pferd«, sagte Oscar langsam. »Ich habe mich nach dem Tod meiner Eltern oft

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