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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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Kopf bewahren. Meine Zukunft liegt in Berlin. Dich würde ich gern mitnehmen, aber sonst passt niemand von hier in mein Leben zu Hause.«
    Die Hündin grunzte zufrieden. Alice besann sich wieder auf ihr eigentliches Problem. In drei oder vier Tagen würde Andrés nach Tuxtla Gutiérrez gebracht werden, würde gestehen und auf seine Hinrichtung warten. Sie ahnte, dass sie machtlos wäre, sobald er der ansässigen Gerichtsbarkeit übergeben worden war. Also hatte sie nur ein paar Tage Zeit, irgendetwas zu unternehmen.
    Zwei Tage vergingen, ohne dass Alice ihrem Ziel näher kam. Die Bohremanns fragten nicht nach dem Verlauf ihres Gesprächs mit Andrés, sondern begegneten Alice mit Zurückhaltung, hinter der sich spürbares Missfallen verbarg. Sie war ein aus Höflichkeit geduldeter Gast, nichts weiter. Gleichzeitig wurde bereits der Aufbruch nach Tuxtla Gutiérrez geplant, denn die Antwort des Provinzgouverneurs war eingetroffen.
    Alice verbrachte den Nachmittag in ihrem Zimmer mit Mariana. Um sich ein wenig abzulenken, ging sie noch mal Patricks Habseligkeiten durch, doch sie fand keine wichtigen Hinweise mehr. Sie musste entscheiden, was sie nach Berlin mitnehmen wollte, und begann schweren Herzens, alles zu sortieren. Die Kleidung konnte sie Rosario überlassen, damit sie an die Bedürftigen im Umland verteilt wurde. Mit den Zeichnungen und Fachbüchern konnte Dr. Scarsdale vermutlich mehr anfangen als sie selbst. Alice versuchte, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass sie von ihrem Bruder nichts weiter behalten würde als sein Tagebuch und die Zeichnung einer verschwundenen indianischen Frau, die er geliebt hatte, als ihr auffiel, dass Mariana aufgeregt an der Tür schnüffelte.
    »Was ist denn los? Dein Fressen bringt Marcella erst am frühen Abend, das weißt du doch«, rief sie dem Hund zu, der mit den Pfoten kratzte, als wolle er ein Loch in das Holz der Tür graben. Alice hörte aufgeregte Schreie und dann die Schritte.
    »Komm sofort raus in den Patio! Es brennt!«, rief Juan Ramirez. Sie ließ den Stapel von Büchern, die sie gerade aufgehoben hatte, fallen und rannte zur Tür. Sobald sie auf den Balkon gelangt war, riss Juan Ramirez sie an sich und schob sie schnell zur Treppe. Brandgeruch wehte ihnen entgegen und erschwerte das Atmen. Hustend sah sie sich nach Mariana um, die hinter ihr herlief. Der schöne Innenhof mit seinen Pfirsichbäumen und Gartenstühlen schien unversehrt, aber neben dem Eingangstor zur Hazienda standen etliche Gebäude in Flammen, und schwarzer Rauch stieg in den reinen, strahlend blauen Himmel auf. Wo bisher stets tadellose Ordnung geherrscht hatte, liefen Menschen durcheinander, schleppten Eimer mit Wasser herbei und versuchten, Säcke und Kisten aus den brennenden Räumen zu retten.
    »Ist das Feuer in einem Lagerraum ausgebrochen?«, fragte Alice, im Schutz von Juan Ramirez’ Umarmung.
    »Ja. Meine Schwester hortet gern Vorräte. Kartoffeln, Pökelfleisch, Dörrobst. Als Kinder konnten wir uns nicht immer satt essen. Als die Dienstboten das Feuer entdeckten, brannte es bereits lichterloh.«
    Alice verspürte erstmals einen Anflug von Mitgefühl für die schöne Rosario, deren perfekter Haushalt nun von Flammen zerstört wurde.
    »Gibt es Verletzte?«, fragte sie Juan Ramirez, der ihr in all diesem lärmenden Chaos ein Gefühl von Halt und Sicherheit gab.
    »Nein, die gibt es nicht«, antwortete Rosario. Juan Ramirez ließ Alice los und senkte fast schuldbewusst den Blick. Alice verspürte Wut und Enttäuschung und fuhr herum. Rosarios Blick war strenger als gewöhnlich, schien vor Zorn zu glühen, sodass Alice erschrak.
    »Diese Indios haben das Feuer gelegt«, zischte die Hausherrin. »Sie sind zornig über die Verhaftung von Andrés Uk’um. Natürlich ist keiner von ihnen verletzt. Aber sie haben gewartet, bis alle Lager in Flammen standen, dann erst schlugen sie Alarm. Die übliche Hinterhältigkeit. Sie werden die Folgen zu spüren bekommen.«
    Ein harter Zug legte sich um den schön geschwungenen Mund. Alice trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Sosehr sie sich auch bemühte, es fiel ihr schwer, diese Frau zu mögen.
    »So wie es aussieht, ist das Feuer bereits unter Kontrolle. Die Wohnräume werden unbeschädigt bleiben. Es hat nur die Lager im Vorhof erwischt«, meldete sich Dr. Scarsdale zu Wort. Alice atmete erleichtert auf. Die nüchterne Sachlichkeit des Gelehrten brachte ein wenig Ruhe in ihr aufgewühltes Gemüt, und sie trat zum Tor in den Vorhof, um das

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