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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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gleichgültig sind. Manchmal harmonieren Leidenschaft und Pragmatismus hervorragend, und so eine Gelegenheit lässt ein Mann wie Juan sich nicht entgehen.«
    Alice stellte ihr Glas energisch auf dem Tablett ab.
    »Vielleicht sollten Sie sich nicht in Dinge einmischen, die Sie nichts angehen.«
    Andrés senkte den Blick.
    »Lo siento. Es tut mir leid. Ich mag Juan, ich würde mir nur wünschen, dass er mehr aus sich macht, als ständig an den Frackschößen seines Schwagers zu hängen.«
    Alice lehnte sich zurück.
    »Das hat Patrick wohl gemeint, als er von Juans ungenutzten Talenten schrieb«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu Andrés. Dann kam ihr ein Gedanke, der sie auffahren ließ.
    »Sie waren mit meinem Bruder und Ix Chel in Palenque. Haben Sie da jemals eine Kette gesehen, ich meine, eine aus großen Edelsteinen so wie hier auf dem Bild.«
    Sie lief zu der Truhe und holte Patricks Zeichnung hervor. Andrés runzelte die Stirn.
    »Ja, das ist eindeutig Ix Chel, in einem jener Momente, da sie sehr schön aussah. Aber diese Kette kenne ich nicht. Patrick hat niemals eine Kette aus Edelsteinen erwähnt. Vielleicht sind es ja nur gewöhnliche bunte Holzperlen.«
    Er war ein Mann, der viel von Maschinen, aber wenig von Schmuck verstand, dachte Alice.
    »Es sind Edelsteine, das sehe ich, aber in ungeschliffenem Zustand. Trotzdem müssten sie ziemlich wertvoll sein. Für mich sieht das aus wie eine Kette aus präkolumbianischer Zeit, jedenfalls waren in Patricks Büchern ein paar ähnliche Zeichnungen.«
    Sie setzte sich wieder auf das Bett.
    »Daher wundert es mich, dass niemand etwas von der Kette weiß«, fuhr sie fort.
    »Haben Sie Dr. Scarsdale gefragt?«
    Alice schüttelte den Kopf. Es war ihr unangenehm, den Archäologen zu behelligen, der so nüchtern in die Welt blickte, dass sie sich neben ihm wie ein albernes Mädchen vorkam.
    »Dann fragen Sie ihn«, riet Andrés. »Ich habe, ehrlich gesagt, nicht halb so viel Ahnung von der Geschichte meiner Vorfahren wie er. Was diese Kette betrifft, kann er Ihnen sicher besser helfen.«
    Alice zog die Beine an. Bei einem Mann, der vor ihr auf einem Teppich hockte, musste sie nicht unbedingt Haltung wahren. Ihr Kopf schmerzte, was vielleicht an dem Wein oder auch an der Aufregung lag, und der volle Magen löste eine bleierne Müdigkeit aus.
    »Ich frage mich, ob die Kette etwas mit Patricks Tod zu tun hat«, sagte sie. »Wissen Sie von irgendwelchen Wertgegenständen, die in Palenque gefunden wurden?«
    Sie hatte Patricks wissenschaftliche Aufzeichnungen bisher kaum beachtet, weil sie nichts mit ihnen anfangen konnte. Aber vielleicht lag darin der Schlüssel zur Lösung des Rätsels.
    »Auch hier kann Ihnen Dr. Scarsdale sicher besser helfen als ich. Ehrlich gesagt, bekam ich nichts davon mit, dass irgendetwas von Bedeutung gefunden wurde. Wir mussten Bäume fällen, um die Gebäude freizulegen. Ihr Bruder und der Amerikaner liefen herum, machten Zeichnungen und maßen alles aus. Abends debattierten sie dann am Lagerfeuer. Manchmal stritten sie sich, das habe ich mitbekommen. Aber ich war nicht wirklich neugierig. Was zwei gelehrte weiße Herren an unseren uralten, längst verlassenen Ruinen fanden, verstand ich, ehrlich gesagt, nicht.«
    Natürlich nicht. Er liebte Maschinen, insbesondere Dampfschiffe.
    »Aber ich erkannte meine Leidenschaft in ihnen wieder, diese Genauigkeit, mit der sie notierten und ausmaßen«, fuhr Andrés fort, als habe er plötzlich Gefallen an der Unterhaltung mit ihr gefunden. »So hatte ich einst versucht, die Wirkung technischer Geräte zu begreifen. Das machte sie mir weniger fremd. Allerdings stellte sich mit der Zeit heraus, dass Patrick lebende Menschen toten alten Steinen vorzog.«
    Alice hatte sich auf dem Bett ausgestreckt und die Schuhe abgestreift. Glücklicherweise war ihre Kleidung bequem, denn sie war keinesfalls bereit, sich in Gegenwart eines fast fremden Mannes ein Nachthemd überzustreifen. Da es kühler zu werden begann, wickelte sie sich in ihre Decke.
    »Schlafen Sie ruhig, Miss Wegener.« Er deutete ihr Verhalten völlig richtig. »Wir müssen ohnehin die Lampe löschen, sonst wirkt es verdächtig. Ich werde einfach im richtigen Moment verschwinden.«
    Alice sah, wie er die Gaslampe ausdrehte. Draußen pfiff der Wind, und unbekannte Tiere kreischten, krächzten und fauchten. Es war Nacht in jener mexikanischen Wildnis, die nur von den Mauern der Hazienda ausgesperrt wurde, und als die Geräusche des geschäftigen

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