Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
Vom Netzwerk:
Herrenhauses langsam verklangen, wurde Alice bewusst, dass sie hier trotz allem in der Welt der Indios war, denen dieses Land einst gehört hatte. Der Mann in ihrem Zimmer regte sich nicht mehr. Sie hörte nichts als seine ruhigen Atemzüge, während ihre Augen zufielen.
    Als sie wieder erwachte, lag nur Mariana an ihrer Seite, das Zimmer war leer.

Hans Bohremann brach am nächsten Tag gemeinsam mit Juan Ramirez auf, um im Umland nach dem Flüchtling zu suchen. Die von Juan angekündigte Fiesta wurde angesichts der Umstände wieder abgesagt, stattdessen fand eine gründliche Reinigung der gesamten Anlage statt, um die letzten Spuren des Feuers zu beseitigen, bevor der Wiederaufbau begann. Alice vermutete, dass dies auch ein letzter Versuch sein sollte, nach möglichen Verstecken für Andrés zu suchen, denn Rosario Bohremann beaufsichtigte ihre Dienstmädchen persönlich. Ein paar gestohlene Vorräte tauchten dabei auf. Ob der Verschlag, in dem Andrés fast erstickt war, dadurch auch entdeckt wurde, erfuhr Alice nicht, denn als Rosario beim Mittagsmahl verkündete, sie wolle die unehrlichen Dienstboten gegen Abend zur Abschreckung auf dem Vorhof einer Prügelstrafe unterziehen, ließ sie ihren Löffel fallen. Der Duft der hervorragend gewürzten Kürbissuppe verursachte ihr nur noch Übelkeit. Sie verspürte einen mahnenden Blick von Dr. Scarsdale und straffte die Schultern. Natürlich stand es ihr nicht zu, sich einzumischen. Sie hatte hier nichts zu sagen.
    »Warum entlassen Sie die Leute nicht einfach?«, schlug sie so ruhig wie möglich vor. »So hätte meine Tante es gemacht, die nach dem Tod meiner Mutter unseren Haushalt führte.«
    Tante Grete hatte ungeschickten Dienstmädchen manchmal Backpfeifen verpasst, aber zum Rohrstock hätte sie niemals gegriffen.
    »Es ist nicht einfach, hierzulande gutes Personal zu bekommen«, erwiderte Rosario. »Ich habe viel Mühe in die Ausbildung dieser Menschen gesteckt und werde ihnen daher noch eine Chance geben.«
    Es klang so gnädig, als täte sie ihnen einen Gefallen. In ihrem Kopf hörte Alice Harry kichern. Ihr wurde bewusst, dass er sich niemals wirklich über Ungerechtigkeiten aufgeregt, sondern sie nur bespöttelt hatte. Sie staunte, wie viel Empörung sie empfand, denn bisher hatte sie in ihrem Leben andere Sorgen gehabt, als die Härte des Schicksals anderer Menschen zu beklagen.
    »Aber wir leben nicht im Mittelalter. Öffentliche Prügelstrafen scheinen mir barbarisch«, sagte sie und hörte, wie Dr. Scarsdale sich räusperte.
    »Sie sind hier nicht in Europa, Miss Wegener. Überlassen Sie diese Dinge doch einfach der Hausherrin. Sie weiß am besten, wie sie ihre Leute zu behandeln hat.«
    Alice fühlte sich zurechtgewiesen wie ein Schulmädchen, aber ihr war klar, dass sie sich unpassend verhalten hatte. Nun, da Hans Bohremann und Juan Ramirez fehlten, schien die Antipathie zwischen ihr und Rosario deutlich spürbar wie eine Schicht von Eis, die sie voneinander trennte. Solange sie nicht wusste, wie lange sie noch in diesem Land bleiben würde, musste sie einen offenen Streit vermeiden.
    »Sie müssen bei der Bestrafung nicht zusehen, wenn sie Ihr Feingefühl verletzt«, sagte Rosario mit unbewegter Miene. Alice hielt alle Worte des Zorns zurück, denn niemand hier kümmerte sich wirklich um ihre Meinung. Im Grunde, so sagte sie sich, hatten die Dienstboten ja die Möglichkeit, sich der Strafe zu entziehen, indem sie fortliefen. Das Tor wurde nicht ständig bewacht.
    »Für mich wird es demnächst Zeit, wieder nach Palenque aufzubrechen.« Dr. Scarsdale wechselte taktvoll das Thema, als das Hauptgericht aufgetragen wurde. »Trotz des tragischen Todes meines Gefährten muss ich meine Forschungen fortsetzen. Das wäre auch Patricks Wunsch gewesen.«
    Alice überlegte, ob ihr Bruder nicht mehr Wert darauf gelegt hätte, dass Ix Chel gefunden wurde. Aber sie wusste nicht, was wirklich geschehen war, und beschloss, auf alle Einwände zu verzichten.
    »Haben Sie dort denn schon interessante Entdeckungen gemacht?«, fragte sie so beiläufig wie möglich. Andrés Uk’um hatte ihr einen guten Rat gegeben, denn sie hatte in Veracruz bereits den Eindruck gewonnen, dass der ansonsten nicht gerade gesprächige Professor zu ausgiebigen Erklärungen neigte, wenn man ihn nach seiner Arbeit fragte.
    »Leider befand sich die Stätte in einem recht vernachlässigten Zustand und musste wieder freigelegt werden«, begann er auch schon. Sie bemerkte ein begeistertes Funkeln in

Weitere Kostenlose Bücher