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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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welche den meisten Indios der Region bekannt waren, aber für unwichtig gehalten wurden. Die Leute ihrer Mutter hingegen wussten, dass diese Steinbauten die Häuser der Götter gewesen waren, als sie noch auf Erden weilten, um Menschen und Tiere zu erschaffen. Deshalb hatten sie dort früher bei Ritualen das Harz heiliger Bäume verbrannt, aber dann waren die Fremdlinge gekommen, und beanspruchten die Ruinen für sich. Was el doctor, wie dieser verrückte Gringo genannt wurde, dort wollte, konnte sich niemand genau erklären, doch vermutete Ix Chel, dass er vielleicht auch Kontakt zu den alten Göttern suchte und dafür die Hilfe der Männer dieses Landes benötigte.
    Sie versteckte sich mit Maruch hinter einem Gebüsch und beobachtete von dort aus, wie die Häuser der Götter auf Wunsch des Gringos von den Lianen befreit und gereinigt wurden. Vielleicht gefiel dies den Göttern, sie sah jedenfalls keinen Grund, sich darüber zu empören. Candido und Manuel, ihre zwei Brüder, arbeiteten bis zum Anbruch der Abenddämmerung, erst dann war es möglich, mit ihnen Kontakt aufzunehmen.
    Ein Stück neben der Ruine zündeten sie im Schutz von Büschen ein Lagerfeuer an, kochten Kaffee und verspeisten die von der alten Ix Chel eingepackten Tortillas. Ix Chels Brüder versicherten, dass die Arbeit tatsächlich nicht zu anstrengend war, dass sie gut behandelt wurden und den versprochenen Lohn erhielten, wobei ihnen nicht einmal das Essen abgezogen wurde, wie das sonst allgemein üblich war. Obwohl die Aufseher aus den Monterías stammten, war es ihnen nicht erlaubt, die Peitsche einzusetzen oder jemanden auf irgendeine Weise zu quälen. El doctor hatte noch einen anderen Gringo bei sich, der so zimperlich war, dass Witze gerissen wurden, ob er nicht ein verkleidetes Mädchen sei. Er ließ sich von den Indios betrügen und bestehlen, ohne es überhaupt zu merken, und nahm sie stets vor den Aufsehern in Schutz. Ix Chel dachte, dass er ein sehr netter Mensch sein musste und dass die Arbeiter dumm waren, seine Gutmütigkeit derart auszunützen. Sie sagte es aber nicht, denn ihre Brüder mochten keine derartigen Zurechtweisungen.
    Sobald es völlig dunkel geworden war, verschwand Manuel mit Maruch in den Büschen. Candido fand es sicherer, ins Lager zurückzugehen, nachdem Ix Chel ihm versichert hatte, dass sie seine Hilfe nicht brauchte. Sie hatte gerade die mitgebrachte Petate ausgerollt und wollte sich niederlegen, als er zurückkam, gefolgt von einem großen Ladino, der eine Pistole an seine Schläfe hielt. Der Mann musste das Tuscheln und Kichern gehört haben, was ihn angelockt hatte. Ix Chels Bruder sah sie niedergeschlagen an, denn er hatte früh gelernt, dass er Ladinos gehorchen musste, wenn er am Leben bleiben wollte. Deshalb hatte er ihn auf Befehl zu seiner Schwester geführt und überließ sie ihm nun, indem er mit gesenktem Kopf davonschlich.
    Ix Chel hingegen wehrte sich. Sie kratzte und biss, kam sogar für einen Moment frei und wollte in den Dschungel fliehen, doch im letzten Augenblick wurde sie an einem ihrer Zöpfe gepackt und zurückgerissen. Als der Ladino sie mit seinem riesigen Körper niederdrückte, schrie sie vor Wut und Empörung auf. Weder Manuel noch Maruch kamen ihr zu Hilfe. Sie schloss die Augen und versuchte, ihre Seele in eine andere Welt wandern zu lassen, so wie es gewöhnlich im Schlaf geschah, aber auch diese Flucht wollte ihr nicht gelingen. Langsam begann ihre Empörung, die ihr die Kraft zum Widerstand gegeben hatte, sich in Angst zu verwandeln, und nur ein letzter Funken von Stolz hinderte sie daran, um Erbarmen zu betteln, was ohnehin sinnlos gewesen wäre. Da hörte sie plötzlich eine andere Männerstimme, die leise, aber hart vor Zorn in einer fremden Sprache etwas sagte. Seltsamerweise wusste sie, wer es war, bevor sie ihn gesehen hatte, und war nicht einmal erstaunt über sein Auftauchen. Der Ladino gab sie frei, obwohl er schimpfte und fluchte. Ix Chel erblickte einen kleineren, schmächtigen Mann, dessen Schultern auf eigenartige Weise nach vorn gebeugt waren. Keiner der Männer in ihrem Dorf hatte eine solche Haltung, denn ihre Rücken waren von harter Arbeit gestählt. Das Gesicht des jungen Mannes war sogar im spärlichen Mondlicht bleich, aber Gringos hatten milchfarbene, manchmal auch rosige oder krebsrote Gesichter, hatte Ix Chel von ihrer Mutter erfahren, die gelegentlich in größere Orte wanderte, um Waren zu verkaufen. Sie stand auf, ordnete ihre Kleidung und lächelte

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