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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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einer Indianerin zu verständigen, tauchte schließlich ein junger Mann in Ladino-Kleidung und mit gestutztem Schnurrbart neben ihr auf. Trotz aller Versuche, seine Herkunft zu verbergen, waren seine Gesichtszüge eindeutig indianisch.
    »Suchen Sie eine Bedienstete, Señorita?«
    »Nein«, entgegnete Alice, deren Geduld inzwischen aufgebraucht war, ohne Umschweife, »ich suche jemanden, der mich nach San Juan de Chamula bringt.«
    Sie hielt ihm den Silberring entgegen. Er betrachtete ihn eine Weile eindringlich, biss dann darauf. Sie wusste nicht, was er auf diese Weise überprüfte, doch er sah zufrieden aus. Alice erzählte den Rest ihrer Geschichte, wie sie es mit Julio abgesprochen hatte.
    »Ich behalte den Ring«, sagte er nur. »Ich besorge Ihnen ein Maultier und bringe Sie hin. Jetzt gleich, wenn Sie wollen.«
    Alice wäre ihm vor Erleichterung fast um den Hals gefallen. Dann wurde ihr bewusst, dass er ein Betrüger sein konnte. Aber sie hatte keine andere Wahl.
    Kurz darauf saß Alice auf einem Maultier und wurde von Roderigo, wie ihr neuer Begleiter sich nannte, aus der Stadt hinausgeführt. Er erkundigte sich knapp und sehr sachlich, ob sie gesucht würde. Alice verneinte zunächst überrascht, dann fügte sie zur Sicherheit hinzu, dass man sie aber vermissen würde, wenn sie bei Einbruch der Dämmerung noch nicht zurückgekommen war.
    »Dann haben Sie nicht viel Zeit in Chamula. Ich will keinen Ärger. Wenn Sie nicht freiwillig mit mir zurückkommen, gehe ich allein und sage jedem, den es interessiert, wo Sie sind.«
    Alice nickte. Diese Drohung machte ihn sogar zuverlässiger, denn ein Betrüger hätte ihr sicher alle möglichen Versprechungen gemacht, damit sie ihm folgte.
    Die Reise führte wieder ins Gebirge. Ungefähr eine halbe Stunde später begann ein kalter Wind zu wehen, und Regen peitschte auf sie ein. Nach der langen Hitze in den Tiefen des Dschungels genoss sie die frische Bergluft, zumal das Maultier sie davor bewahrte, die Höhen selbst erklimmen zu müssen.
    Für ein Indio-Dorf wirkte San Juan de Chamula recht schmuck, was an seiner perlmuttfarbenen Kirche liegen musste, dem unübersehbaren Mittelpunkt der kleinen und ärmlichen Ortschaft. Die Sonne schien inzwischen wieder, der Wind war zu einem lauen Lüftchen geworden, und kleine, flauschige Wölkchen segelten über einen leuchtend blauen Himmel. Die bunten Malereien am Kirchenportal strahlten in den frischen, hellen Farben, die typisch für dieses Land waren. Dieser Kirche fehlte all jene düstere Größe, die Alice an mittelalterlichen Kathedralen bewundert hatte, ebenso der goldene Prunk der Bauten aus der Kolonialzeit. Alice atmete erleichtert auf. Sie war am Ziel, und der Ort gefiel ihr. Nun musste sie Andrés finden. Ungeduldig sah sie sich um. Ihr Auftauchen hatte bereits für einiges Aufsehen gesorgt. Indios wandten sich in ihre Richtung, starrten sie staunend an, während Roderigo auf Tzotzil mit einigen Männern sprach, die zögernd näher gekommen waren. Die Frauen hielten sich wie üblich im Hintergrund, und Alice glaubte, wieder jene Mauer aus Misstrauen und Ablehnung zu spüren. Der als eitler Ladino herausgeputzte Roderigo wirkte wohl ebenso wenig vertrauenswürdig wie eine blonde, fremde Frau, denn auch er wurde nicht freundlich empfangen.
    »Ich habe gefragt, ob hier ein Mädchen kürzlich von seinem Dienst bei einem Zuckerbaron zurückgekommen ist, aber sie verneinen es alle«, teilte er ihr schließlich mit. Gelassen wartete er ihre Reaktion ab.
    »Vielleicht … vielleicht wollen sie es mir einfach nicht sagen«, stammelte Alice ratlos. Die von Julio vorgeschlagene Lüge hatte sich als Sackgasse erwiesen, denn nun sollte sie unverrichteter Dinge wieder abreisen. Allerdings wehrte alles in ihr sich dagegen, Roderigo zu gestehen, dass sie in Wahrheit auf der Suche nach ihrem entflohenen indianischen Liebhaber war.
    »Lo siento, Señorita, aber wenn das Mädchen nicht gefunden werden will, dann werden Sie es hier auch nicht finden«, erwiderte ihr Begleiter. »Da müssen Sie schon mit ein paar bewaffneten Männern kommen und die Hütten durchsuchen lassen. Aber selbst dann … die Chamulas sind eine verschworene Gemeinschaft, verflucht gute Gauner und Betrüger. Ich würde Ihnen natürlich trotzdem gern helfen. Aber seien Sie jetzt bitte ehrlich: Die kleine Muchacha hat doch was ausgefressen, oder? Vermissen Sie irgendwelchen Schmuck?«
    Er grinste, sichtlich zufrieden über seine Schlauheit. Alice begann er zunehmend

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