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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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anklopfen würde, doch zwei Stunden vergingen, ohne dass er sich blicken ließ. Schließlich beschloss Alice aufzubrechen. Sie zog einen bequemen Rock und eine alte Bluse aus ihrem Koffer, verzichtete aber auf die Indio-Kleidung, da Julio davon abriet. Wenn sie einen indianischen Führer brauchte, dann musste sie wie eine Ladina aussehen. Das eigentliche Problem bestand darin, dass sie nicht über eigenes Geld verfügte. Es widerstrebte ihr, Juan Ramirez beim Ausschlafen seines Rausches zu stören, zumal sie dann auch hätte erklären müssen, wozu sie das Geld brauchte. Schließlich fand sie in der Seitentasche ihres Koffers einen schmalen Silberring, der zu ihrem mütterlichen Erbe gehörte. Sie hatte ihn völlig vergessen, doch nun war er ihre Rettung, denn den Saphirschmuck wollte sie nicht opfern.
    »Suchen Sie sich einen jungen Mann, der nicht betrunken ist«, riet Julio. »Sagen Sie ihm, dass Sie eine Bekannte von Hans Bohremann sind, und geben Sie ihm der Ring als Vorauszahlung. Sie müssen aber noch eine spätere Entlohnung versprechen, sonst verschwindet er vielleicht einfach gleich. Versprechen Sie ihm … ich weiß nicht … eine gut bezahlte Stellung, aber nicht auf der Kaffeeplantage, denn jeder weiß, wie man dort schuften muss. Am besten als Hausdiener. Wenn er selbst es nicht machen will, dann wird er seine Schwester schicken.«
    Alice nickte.
    »Was ist, wenn er mir nicht glaubt?«, fragte sie nach einigem Überlegen. »Jede Frau könnte ihm doch erzählen, von Hans Bohremann unterstützt zu werden?«
    Julio grinste.
    »Ihr blondes Haar, Señorita. Sie sind sehr hübsch. Und außerdem braucht er nur in diesem Hotel nachzufragen. Dass Don Juan der Schwager von Hans Bohremann ist, das wissen die Leute.«
    Alice zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich hielt man sie für die Geliebte von Juan Ramirez, aber das allein reichte wohl als Garantie dafür, dass sie nicht ohne Einfluss war.
    »Sie brauchen auch noch eine Erklärung, warum Sie als Frau allein reisen, denn das ist sehr ungewöhnlich. Lassen Sie mich nachdenken …«
    Julio lag eine Weile mit angestrengt gerunzelter Stirn da, dann sagte er:
    »Am besten, Sie erzählen von einer Dienerin, die verschwunden ist und um die Sie sich Sorgen machen. Sie wollen nachsehen, ob sie wieder bei ihrer Familie ist, und dabei will Hans Bohremann Sie nicht unterstützen, weil er es für unwichtig hält. Wenn Sie Glück haben, dann glaubt der Indio Ihnen und hält Sie für eine gutherzige Frau, der er gern helfen will.«
    Alice hatte ihre feinen Lederschuhe wieder angezogen, denn Julio untersagte ihr auch Huarachas. Dann griff sie nach dem breitkrempigen Hut, um sich vor der Sonne in den Bergen zu schützen.
    »Könnte ich nicht gleich eine Frau fragen?«, schlug sie vor, denn die Vorstellung, wildfremde Männer auf der Straße anzusprechen, widerstrebte ihr.
    »Die wird Sie nicht selbst durchs Gebirge führen, aber eigentlich ist es keine schlechte Idee. Nur sprechen unsere Frauen meist nicht so gut Spanisch. Aber vielleicht finden Sie ja eine, die Sie versteht. Sie hat sicher einen Bruder oder Sohn, dem sie eine gut bezahlte Arbeit verschaffen möchte.«
    Mit einem erleichterten Nicken verabschiedete Alice sich von ihrem Berater.
    »Wenn Sie bis Einbruch der Dämmerung nicht zurück sind, werde ich Don Juan sagen, dass er nach Ihnen suchen lassen soll«, versprach Julio zum Abschied. Sie überlegte, dass Rosarios Bruder ihr vielleicht schon früher Männer nachschicken würde, doch mit etwas Glück würde sie dieses Indianerdorf erreichen, noch bevor er aufgestanden war. Später musste sie ihm alles erklären. Aber dann würde sie wenigstens wissen, ob Andrés weiterhin zu ihr stand.
    Sie verließ das Hotel und ging zum Zócalo, jenem zentralen Platz vor der ockerfarbenen Kathedrale. Auf einer kleinen Tribüne in der Mitte spielten mehrere Musiker gefällige Melodien. Händler hatten Verkaufsstände mit Nahrung, Tongeschirr, Schmuck und anderem Krimskrams aufgebaut, an denen Leute aller Gesellschaftsschichten vorbeiflanierten. Alice mischte sich unter die Schaulustigen. Sie versuchte, eine junge Indianerin anzusprechen, die hübsch bemalte Tontöpfe feilbot, doch sie erhielt nur ein freundliches Lächeln und Nicken zur Antwort, während die Frau den Preis ihrer Waren mühsam auf Spanisch nannte. Die nächste Frau flüchtete, bevor Alice ihr nahe genug gekommen war, um etwas sagen zu können. Nachdem sie weitere erfolglose Versuche unternommen hatte, sich mit

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