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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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der Sierra Madre. Fast begann Alice die Frische der Berge zu vermissen. Der Mittelpunkt der Stadt war ein vor Kurzem errichtetes Regierungsgebäude aus weißem Backstein. Alice genoss einen kurzen Spaziergang über die von großen Bäumen überschattete Alameda, dann kehrte sie in ihr Hotelzimmer zurück. Immerhin kam sie wieder in den Genuss eines eigenen Bettes, auf dem sie sich für eine Weile ausstreckte, um sich dann einen großen Zuber voll Badewasser bringen zu lassen. In diesem Ort, ganz gleich, wie hässlich, staubig und heiß er sein mochte, gab es so etwas wie Zivilisation. Der schlimmste Teil des Abenteuers lag hinter ihr, und sie wollte nicht an den Rückweg denken, der ihr irgendwann bevorstand. Als sie gebadet hatte und, in eine Decke gewickelt, nach sauberer Kleidung in ihrem Koffer suchte, klopfte es an der Tür.
    »Miss Wegener, Hans Bohremann ist eingetroffen und wartet unten im Speisesaal«, verkündete Dr. Scarsdale und verschwand sogleich wieder. Alice spürte, wie ihr die Decke von den Schultern glitt. Ihre Hände zitterten vor Aufregung. Sie wühlte im Koffer, bis sie ihr cremefarbenes Sommerkleid fand. Nun konnte sie nicht mehr in der Kleidung indianischer Bäuerinnen herumlaufen, sondern musste sich schleunigst in eine Dame von Welt verwandeln. Glücklicherweise hatte sie das Kleid noch im Hotel in Veracruz waschen lassen. Es hatte während der Reise ein paar Falten bekommen, doch daran war nichts zu ändern. Sie kleidete sich sorgsam und legte den Saphirschmuck an. Ihr Haar war nach der besonderen Pflege durch die Frau des Eisenwarenhändlers noch seidig glatt und weich, sodass sie nur einen schwarzen Reif aufsetzte und es über ihre Schultern fallen ließ. Sobald die inzwischen vertrauten Huaraches gegen schmale, feine Lederschuhe eingetauscht waren, wagte sie es, aus ihrem Zimmer zu treten.
    Hans Bohremann war groß, dünn und weizenblond. Als Alice ihm die Hand zum Kuss reichte, fühlte sie sich erstmals in ihre Heimat zurückversetzt, denn der Schwabe in den Bergen der Sierra Madre hatte nicht ganz so sauber und korrekt gewirkt.
    »Es ist mir eine Ehre, Sie hier in Chiapas zu begrüßen, Fräulein Wegener. Doch ich wünschte, die Umstände wären anders«, sagte er mit natürlicher Ehrlichkeit. Alice sah ihm in das blasse Gesicht, auf das die Hitze ein paar rote Flecken gemalt hatte. Er wirkte zu weich für dieses Land, fast wie ein Buchhalter, der sich in die Wildnis verirrt hatte. Sie schätzte ihn auf nicht älter als vierzig Jahre. Sein Anzug war aus teurem Stoff und tadellos geschnitten. Ähnlich waren die Herren bei den Empfängen ihres Vaters gekleidet gewesen, doch hier in Mexiko hatte sie zum letzten Mal in Veracruz Fracks und Stehkrägen gesehen.
    »Ich danke Ihnen, dass Sie meinetwegen hierhergekommen sind«, antwortete sie. Dann fragte sie sich, ob Dr. Scarsdale oder Juan Ramirez Deutsch verstanden. Es war unhöflich, in einer Sprache zu reden, der sie nicht folgen konnten.
    »Nun, es wäre verantwortungslos, eine junge Dame hier allein ihrem Schicksal zu überlassen«, erwiderte Hans Bohremann in ihrer beider Muttersprache. Alice vermeinte einen missmutigen Unterton zu hören. Vermutlich empfand auch der Kaffeebaron ihre Anwesenheit hier als unnötig und lästig.
    Falls dem so war, ließ er es sich nicht anmerken, sondern winkte den Kellner herbei, um ihnen ein Abendessen zu bestellen. Alice fragte sich, wie viel Geld sie Dr. Scarsdale bereits schuldete, der unterwegs alle Rechnungen in den Herbergen beglichen hatte. Sie hatte völlig den Überblick über ihre Finanzen verloren, was ihr in Berlin niemals passiert war. Das Licht der Lüster blendete sie und verursachte ein Stechen an ihren Schläfen. So vieles in ihrem Leben war völlig durcheinandergeraten, und sie, die immer Wert auf klare Verhältnisse gelegt hatte, musste sich nun Stück für Stück durch ein Dickicht kämpfen.
    Die Kellner trugen Fischsuppe auf und schenkten Weißwein ein. Alice freute sich auf ein abwechslungsreiches Mahl, denn in den letzten Tagen hatte ihre Nahrung hauptsächlich aus Tortillas bestanden, doch sie wurde enttäuscht. Die Suppe schmeckte nach nichts, und der Wein war nicht kühl genug. Vermutlich fehlte es dem Hotel an Eis, doch in diesem Fall wäre ihr Pulque fast lieber gewesen.
    »Nun, da wir uns am Ziel unserer Reise befinden«, begann Dr. Scarsdale auf Englisch, »könnten Sie uns vielleicht mitteilen, was Ihre Pläne für die nächsten Tage sind, Miss Wegener. Ich möchte so bald

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