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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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Erklärung vor. »Und der Lohn ist nicht üppig, denn als reicher Mann ist noch keiner der Plantagenarbeiter zurück in sein Dorf gekommen. Aber der Kaffeeanbau dient unser aller Wohl, da unser Land dadurch reicher wird. Diese Entwicklung verlangt eben auch Opfer.«
    Alice fragte sich, welches Opfer er brachte, doch sie beschloss, ihn nicht unnötig zu provozieren.
    Es war bereits ziemlich dunkel geworden, als sie ein kleines Indianerdorf erreichten und von dem Dorfältesten, Kazike genannt, mit ausgesuchter Höflichkeit begrüßt wurden. Alice nahm schicksalsergeben zur Kenntnis, dass ihnen hier nichts weiter zur Verfügung stand als eine Lehmhütte, in der Hängematten aufgehängt wurden. Eine der Indio-Frauen winkte ihr taktvoll zu, um sie zu einer anderen Hütte zu führen, damit sie nicht im selben Raum schlafen musste wie die Männer. Die Frauen des Dorfes hatten diesen kleinen Raum anscheinend für sie als Schlafplatz hergerichtet, denn es befanden sich etliche Säcke darin, doch keinerlei Möbelstücke. Auch ein Moskitonetz gab es nicht, das in den Bergen allerdings auch nicht nötig war, da es nachts recht kalt wurde. Erwartungsgemäß konnte sie in dem Dorf keine Toilette entdecken, sodass sie hinter den Hütten ins Gebüsch kriechen musste und sich dabei schmerzhafte Bisse von Ameisen an Schenkeln und Waden einhandelte. Leise fluchend ging sie zu den Hütten zurück, wo man bereits ein Abendessen aus Bohnen, Tortillas, Pozol und Pulque aufzutischen begann. Nun, da sie auf einer Decke auf dem Boden kauerte, fiel ihr die eigenartige Kleidung der Männer dieses Dorfes auf. Sie trugen weite weiße Hemden und gestreifte Umhänge, wie es bei Indios üblich war, doch ihnen fehlten bis auf einen Lendenschurz die Beinkleider. Alice schaute sie fassungslos an, dann senkte sie den Blick, denn es war ungehörig, mit weit aufgerissenen Augen auf dunkle, muskulöse Männerbeine zu starren. Dass diese unbehosten Kerle kleine Strohhüte auf den Köpfen trugen, wirkte fast komisch.
    »Das sind Tzeltal. Sie haben ihre eigentümliche Tracht noch nicht aufgegeben, trotz des Entsetzens der Priester«, flüsterte Juan Ramirez ihr ins Ohr. Er grinste, als könne er Alice’ Verlegenheit erahnen. »Sie gelten überhaupt als das verstockteste Indianervolk von ganz Chiapas.«
    Alice musterte die kleinen, muskulösen Männer und entdeckte einige hölzerne Speere in ihren Händen. Sie fühlte sich in längst vergangene Zeiten versetzt, sah altägyptische Bilder, die sie vor vielen Jahren bei einer Ausstellung bewundert hatte, wieder vor ihrem inneren Auge auftauchen. Etwas an diesen Männern war anders als bei den übrigen Indios. Als sie sich an die gefesselten Erntearbeiter erinnerte, wurde es ihr bewusst. Die Leute in diesem Dorf lebten unter einfachsten Bedingungen, doch sie schienen sich ihre Würde bewahrt zu haben.
    Die Hängematte erwies sich als unerwartet bequem und schützte, wie Juan Ramirez ihr versicherte, zudem zuverlässig vor Skorpionen und Ameisen, wenn sie in der richtigen Höhe aufgehängt wurde. Alice hatte dies vertrauensvoll den Indios überlassen, die sich sicher am besten auskannten. Sie fühlte bleierne Müdigkeit in allen Gliedern und empfand einen Anflug von Ärger, als die Tür zu der Hütte plötzlich wieder aufging. Eine zahnlose, verschrumpelte Alte trat unaufgefordert ein, lächelte Alice an und überschüttete sie mit einem Schwall indianischer Worte. Alice erklärte so höflich wie möglich auf Spanisch, dass sie nichts verstand. Die Alte nickte lächelnd und fuhr unbeirrt fort. Alice unterdrückte einen Seufzer. Sollte das nun die ganze Nacht so gehen? Doch schließlich setzte die Frau einen Korb auf dem Boden ab, der Bananen und Papayas enthielt, neigte leicht den Kopf und verschwand. Alice begriff, dass man ihr Nahrung für die Nacht gebracht hatte oder für den frühen Morgen, falls sie in aller Eile weiterreisen wollte. Sie erinnerte sich, wie arm dieses Dorf war. Sie selbst hätte einen Fremden nicht so großzügig bewirtet, wenn er unangekündigt auf ihrer Türschwelle aufgetaucht wäre, überlegte sie, während sie sich zum Schlafen zusammenrollte.

Tuxtla Gutiérrez war eine sehr moderne Stadt, die den eigentümlich verträumten Charakter der bisher besuchten Orte vermissen ließ. Sie lag in einem Tal, wo die Vegetation üppig war und schwüle Hitze die Menschen träge machte. Die Tierra templada, erklärte Dr. Scarsdale, war nicht ganz tropisch, aber deutlich wärmer als die Tierra fria

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