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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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Wimper zu zucken. »Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn eine Beerdigung in einem eindrucksvollen, alten Gebäude möglich wäre, denn mein Bruder liebte Altertümer. Und in der Zwischenzeit …«
    Sie holte Luft und warf einen Blick in die Runde. Auf einmal hatte sich in ihrem Kopf alles wieder klar zusammengefügt, all jene Ideen, die sie seit dem Aufbruch aus Veracruz ausgebrütet hatte.
    »Ich möchte den Ort sehen, an dem mein Bruder starb«, fuhr sie fort. »Hier in dieser Stadt ist es wohl nicht gewesen. Ich will die Grabungsstätte besuchen, mit Menschen reden, die ihn kannten und die er mochte. Wenn es möglich sein sollte, dann will ich auch dieses Indio-Mädchen treffen, das seine Geliebte war, und auch … auch jenen Mann, der ihn umgebracht haben soll. Ich will einfach verstehen, was geschehen ist.«
    Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Der Speisesaal des Hotels war fast leer, bis auf fünf mexikanische Männer, die sich lautstark unterhielten. Das Schweigen an ihrem eigenen Tisch aber füllte den Raum, ließ eine Atmosphäre der Beklommenheit aufkommen. Der Kellner sammelte die Teller ein, dann entfernte er sich rasch, als wolle er derart bedrückte Gäste lieber sich selbst überlassen. Hans Bohremann füllte die Weingläser, räusperte sich wie immer, wenn er etwas Wichtiges zu sagen hatte, und schenkte Alice dann einen aufrichtig wohlwollenden Blick.
    »Ich verstehe Ihr Bedürfnis, die Gründe für diesen tragischen Vorfall zu begreifen«, sagte er. Alice war ihm dankbar, dass er nicht darauf hinwies, wie wenig sie die Mentalität der Indianer kannte, und dass sie kaum Zeit haben würde, sie kennenzulernen. »Ihr Bruder starb nicht in der Grabungsstätte. In den Sommermonaten ist es zu heiß, um dort zu arbeiten, und außerdem regnet es viel. Ich bot ihm und Dr. Scarsdale meine Hazienda in den Bergen an, denn auch ich kann die Hitze auf der Plantage in diesen Monaten kaum ertragen. Wenn Sie wünschen, Fräulein Wegener, können Sie mir dorthin folgen. Meiner Frau wird es ein Vergnügen sein, sich um Sie zu kümmern.«
    Alice bedankte sich und atmete erleichtert auf. Nun hatte sie einen Plan für die nächsten Tage, auch wenn sie das Gefühl nicht abschütteln konnte, nichts weiter zu sein als ein lästiger Eindringling. Die Gastfreundlichkeit der Mexikaner während ihrer Reise hatte aufrichtiger gewirkt. Aber sie klagte nicht, verspeiste den harten Rinderbraten mit geschmacksneutralen Kartoffeln und trat einen letzten Abendspaziergang durch die Alameda an, um etwas frische Luft zu schnappen. Die drei Herren begleiteten sie in einigem Abstand, da sie in ein Gespräch vertieft waren und Alice ihnen versichert hatte, sich daran nicht zu stören. Sie genoss es, eine Weile mit ihren Gedanken allein zu sein, und hatte ihre Runde gerade beendet, als sie plötzlich am Ärmel gezogen wurde.
    »Señorita«, flüsterte eine Kinderstimme aus einem Gebüsch dicht neben dem Bürgersteig, der zum Hotel führte. Alice beugte sich vor und erkannte im Licht der Straßenlaternen Julio, ihren Lebensretter aus den Bergen.
    »Was hockst du denn hier in den Büschen? Komm her!«, sagte sie, aber er schüttelte den Kopf. »Ich darf den Gehsteig nicht betreten«, flüsterte er. »Mein Vater, mein Bruder und ich, wir gehen morgen wieder nach Hause. Wir wurden bezahlt, aber mein Vater meint, wir können Mariana nicht mitnehmen. Als Jagdhund taugt sie nicht.«
    Er hielt ihr den Hund entgegen. Alice streckte zögernd die Hand aus und kraulte die spitzen Ohren. Der Hund war vorher allein durch die Wildnis gestreunt, überlegte sie, doch er war halb verhungert gewesen. Da er zahm war, musste er von Menschen aufgezogen worden sein. Die regelmäßige Gabe von Tortillas hatte etwas Fleisch auf seine Knochen gebracht, das er sicher schnell verlieren würde, wenn er wieder sich selbst überlassen war.
    Alice nahm Mariana entgegen, denn es war ihr nicht möglich, sich von den großen, braunen bittenden Augen des Jungen abzuwenden. Für eine Weile würde sie den Hund versorgen können, und wenn sie abreiste, konnte sie ihn vielleicht irgendwo unterbringen. Sie wollte sich noch von Julio verabschieden, doch der war verschwunden, sobald die Schritte der drei Männer sich näherten. So stand Alice mit einem Hund im Arm da, der vermutlich gerade ihr bestes Kleid beschmutzte, und lächelte ihren drei Begleitern verlegen zu.
    »Ein Abschiedsgeschenk der Indios, die uns hierherbrachten«, erklärte sie Hans Bohremann, denn Dr. Scarsdale und

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