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Der Duft des Regenwalds

Der Duft des Regenwalds

Titel: Der Duft des Regenwalds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Zapato
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danach verschwinde ich wieder. Das ist versprochen.«
    Alfons Kernhagen blickte erleichtert auf.
    »Ich warte morgen in meinem Zimmer auf Sie«, versicherte Alice. Nachdem er sich mit knappen Worten von ihr verabschiedet hatte, fiel sie erschöpft auf das Bett.
    Der Ausflug begann erstaunlich problemlos. Alfons Kernhagen bot sich an, das deutsche Fräulein ein bisschen herumzuführen, und der Patron stimmte zu, sichtlich erleichtert, dass er diese Aufgabe nicht selbst übernehmen musste, sondern sich seiner bockigen Maschine widmen konnte. Isolde kam mit, um den Anstand zu wahren. Alice zwang sich schweren Herzens mit ihrem blauen Leinenrock in den Sattel eines Pferdes, denn es gab keine andere Möglichkeit, auch wenn sie ihn durch den Ritt ruinierte. Sie wollte sich gar nicht erst vorstellen, was Isolde Kernhagen für ein Gesicht gemacht hätte, wenn sie nach der Sänfte verlangt hätte.
    Sie ritten eine Weile über flaches Land, das satter, grüner und weitaus farbenprächtiger war als das Gebirge der Sierra Madre, doch die Hitze machte Alice bald zu schaffen. Das Indio-Dorf, in dem die Kernhagens schließlich anhielten, glich allen anderen, die sie bisher gesehen hatte. Hütten aus dünnen Baumstämmen, manchmal mit Lehm verstärkt, die allesamt nur einen Raum aufwiesen, waren willkürlich aufgebaut. Hunde dösten in der Sonne, während Geflügel und Schweine frei herumliefen. Ein alter, kleiner Mann kam ihnen, einen Stab in der Hand, entgegen. Trotz seiner geringen Körpergröße wirkte er eindrucksvoll, was an seiner aufrechten Haltung liegen mochte. Er grüßte Alfons mit einem respektvollen Kopfnicken.
    »Das ist Claudio Uk’um, Andrés’ Vater. Der Kazike dieses Dorfes. So etwas wie ein Bürgermeister«, flüsterte Isolde Alice zu. Sie bemühte sich, den Mann so freundlich wie möglich anzulächeln, als sie vom Pferd stieg und ihn grüßte.
    »Der versteht kein Wort Spanisch«, mischte Isolde sich spöttisch ein, doch ihr Mann kam Alice unerwartet zu Hilfe, indem er in einer fremden Sprache zu sprechen begann.
    »Ihr Mann kann die Sprache der Indios?«, flüsterte Alice beeindruckt.
    »Ein wenig von dem Kauderwelsch musste er ja lernen, sonst könnte er nicht mit den Arbeitern reden«, erwiderte Isolde schulterzuckend. Indessen hatte Alfons auf Alice gewiesen, als sei er im Begriff, sie vorzustellen. Wieder lächelte sie, bemüht, einen freundlichen und harmlosen Eindruck zu machen, damit die Leute Vertrauen zu ihr fassten. Inzwischen waren es deutlich mehr Indios geworden, die neugierig aus ihren Hütten kamen. Kinder grinsten und plapperten miteinander, wurden jedoch durch einen strengen Blick ihrer Eltern sofort zum Schweigen gebracht. In ihren Augen funkelte dennoch jene aufmerksame Neugier, die Alice bei Julio gesehen hatte. Die Erwachsenen hingegen verhielten sich wie Julios Vater, misstrauisch, schweigsam und sehr zurückhaltend, als könnten sie den Augenblick, wenn der unangekündigte Besuch wieder verschwand, kaum erwarten.
    »Sie freuen sich, uns hier zu begrüßen«, übersetzte Alfons die Worte des Kaziken. Alice musste ein Grinsen unterdrücken. Überall auf der Welt wurde aus Höflichkeit gelogen. »Sie fragen, ob wir ihnen die Ehre erweisen, ein bescheidenes Mahl mit ihnen einzunehmen«, fügte der Verwalter hinzu.
    Sie wollte bereits zustimmen, doch Isolde kam ihr zuvor.
    »Natürlich essen wir hier nichts. Erstens könnten wir uns vergiften, und zweitens gehört es sich nicht. Sie sollen Patrone in uns sehen, keine Gleichgestellten, die mit ihnen an einem Tisch sitzen.«
    Obwohl Alice Widerspruch auf der Zunge lag, sah sie ein, dass sie sich fügen musste, denn ohne die Unterstützung der Kernhagens wäre sie verloren. Sie trat einen Schritt vor, stellte sich neben Alfons und spürte sehr deutlich Isoldes ungeduldigen Blick im Rücken, als sie zu sprechen begann.
    »Sagen Sie ihnen, dass ich sehr dankbar für ihr Angebot der Gastfreundschaft bin, es aber leider nicht annehmen kann, weil ich gleich wieder fortmuss.«
    Sie hörte, wie ihre Worte in der fremden Sprache wiedergegeben wurden. Die unbewegten Mienen der Indios ließen keinerlei Aufschluss darüber zu, ob sie Alice als höfliche Lügnerin durchschauten oder nicht. Entmutigt fuhr sie fort:
    »Erklären Sie ihm jetzt bitte, dass ich die Schwester jenes Mannes bin, den sein Sohn umgebracht haben soll. Sagen Sie, dass ich von der Geschichte nicht völlig überzeugt bin und gern seine Version hören würde. Glaubt auch er, dass sein

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