Der Duft von Hibiskus
klangen diese Zukunftsaussichten nicht sehr verlockend. Aber heiraten und mit der Arbeit für den Vater abschließen, die sie so leidenschaftlich gerne ausübte? Nein, das konnte Emma sich genauso wenig vorstellen, wie als alte Jungfer zu vertrocknen.
Dann, kurz nach ihrem zwanzigsten Geburtstag, hatte sie Ludwig kennen gelernt.
Als die Forschergruppe am frühen Nachmittag eine Lichtung im Dickicht erreichte, die Platz für mehrere Zelte anbot, waren Menschen, Pferde und Ochsen gleichermaßen erleichtert und erschöpft. Obwohl der creek ein gutes Stück entfernt war, widersprach niemand, als Scheerer vorschlug, hier das Lager aufzuschlagen, zumal so viel Unbekanntes an dieser Stelle wuchs, dass die Forscher für Tage genug zu botanisieren haben würden.
Nachdem sie Pferde und Ochsen von ihrer Traglast befreit hatten, begannen sie, ihre Behausungen aufzubauen.
Emma wählte für ihre den Platz zwischen zwei Kasuarinen. Als Oskar hinzutrat, um ihr beim Aufbau zu helfen, fiel sein Blick auf den Boden, und er pfiff leise durch die Zähne.
»Es würde mich nicht wundern, wenn wir von Dutzenden Augenpaaren beobachtet würden«, sagte er zu Emma.
Sie schaute sich um, entdeckte aber nichts als Bäume, Gesträuch und einen großen bunten Papagei, der damit beschäftigt war, sein Gefieder zu putzen.
»Wie kommst du denn darauf?«, fragte sie erstaunt.
Oskar deutete auf den Boden. »Gräten, Muschelschalen und die Gehäuse von Schildkröten. Die Wilden haben hier ein Festmahl abgehalten, will mir scheinen.«
Er sah sich um.
»Bestimmt lungern sie noch irgendwo zwischen den Bäumen herum. Sie neigen dazu, sich zu verstecken, wenn der weiße Mann kommt. Nun, ich werde mein Zelt in deiner Nähe aufbauen. Wir wollen kein Risiko eingehen. Schließlich soll meiner kleinen Assistentin nichts geschehen.«
»Danke«, sagte Emma, der ein wenig mulmig wurde. »Aber glaubst du wirklich, die Wilden wagen sich in unser Lager?«
»Denen ist alles zuzutrauen«, sagte Oskar.
Emma schwieg und sah noch einmal unsicher in das Dickicht hinter dem Zelt. Sie beschloss, am Abend lieber nicht im creek zu baden. Für eine Katzenwäsche reichte der Wassertopf, und ihr Kleid könnte sie waschen, wenn auch die Männer sich um ihre Kleidung kümmern würden. Dann brauchte sie nicht alleine im dunklen Fluss zu stehen, weit weg von den anderen … Ihr blieb jedoch nicht viel Zeit, sich zu sorgen, denn die Forscher wollten das Nachmittagslicht ausnutzen und mit ihrer Arbeit beginnen.
Emma holte den toten Beutler und packte Papier und Bleistift aus, um ihre Zeichnung zu vollenden. Im hellen Sonnenschein würde sie genaue Angaben zur Farbe von Fell, Augen und Krallen machen können. Sie wusste ja, dass wissenschaftliche Zeichnungen ohne Bemerkungen wie diese wertlos waren. Das war bei Tieren gewiss nicht anders als bei Pflanzen.
Krüger und Oskar schnallten sich ihre Botanisiertrommeln um und verschwanden im Busch. Pagel griff sich sein Gewehr und machte sich auf die Jagd nach Tieren, einerseits fürs Abendessen, andererseits für die Forschung.
Carl Scheerer war der Letzte, der aufbrach. Er wollte zum creek gehen, um das Leben im Wasser zu untersuchen.
Emma sah ihm nach und ertappte sich bei dem Wunsch, mit ihm gehen zu dürfen.
Kindskopf, schalt sie sich. Du gehst gefälligst deiner Arbeit nach, statt dich nach Scheerers Gesellschaft zu sehnen.
In diesem Moment drehte er sich noch einmal zu ihr um. Zögernd sagte er: »Ich weiß, es geht mich nichts an, da Crusius die Verantwortung für Sie übernommen hat … Aber macht es Ihnen gar nichts aus, so allein im Lager zu bleiben?«
Doch!, wollte sie rufen. Stattdessen schüttelte sie den Kopf und sagte: »Ach wo. Was soll mir hier schon passieren?« Außer von Wilden überfallen oder von Schlangen gebissen zu werden, vollendete sie stumm den Satz.
»Dann ist es ja gut«, sagte er, rührte sich aber nicht vom Fleck. Über die Lichtung hinweg sahen sie sich an, beide unschlüssig, so schien es Emma, ob sie den Schein wahren oder ehrlich sein sollten.
Schließlich gab sie sich einen Ruck. »Ich könnte auch am creek weiterzeichnen«, sagte sie mit betont gleichgültiger Stimme.
Er nickte. »Worauf warten Sie noch?«
Auf dem Weg zum Fluss ging Emma hinter Scheerer her. So blieb ihr nichts anderes übrig, als beständig auf seinen Rücken zu starren – einen muskulösen Rücken, dessen Anblick, musste sie zugeben, sehr erfreulich war. Scheerer trug nur ein dünnes Hemd, und sie fragte sich
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