Der Duft von Orangen (German Edition)
Zeit damit verbracht, mir anzuschauen, was Menschen als Kunst bezeichneten, und mich immer gefragt, warum zum Teufel sie das so empfanden, aber bei diesem Bild musste ich keine Sekunde darüber nachdenken.
„Wow.“
„Ich weiß. Cool, oder?“ Jen ging zur Wand und stellte sich direkt vor das Bild. „Ich meine, man schaut es an, und es ist eigentlich nichts Besonderes. Aber trotzdem hat es etwas an sich …“
„Ja.“ Das hatte es definitiv. „Und es ist noch nicht mal pornografisch.“
Sie lachte. „Stimmt. Ich habe es hierhin gehängt, weil es mir gefällt, es morgens als Erstes zu sehen. Klingt das komisch? Oh mein Gott, das klingt total komisch.“
„Nein, tut es nicht. Ist es das einzige Bild, das du von ihm hast?“
„Ja. Echte Kunst ist teuer, auch wenn er hierfür einen ziemlich moderaten Preis verlangt hat.“
Ich wusste nicht, was in diesem Zusammenhang moderat war, und es kam mir ein wenig zu indiskret vor, sie danach zu fragen. „Es ist ein wirklich schönes Bild, Jen. Und er ist als Künstler echt gut.“
„Ja, das ist er. Siehst du … das ist noch ein Grund, warum ich nicht mit ihm spreche.“
Ich neigte den Kopf und lächelte sie an. „Warum? Weil du nicht nur seinen Hintern, sondern auch seine Kunst magst?“
Jen kicherte. „Ja, so ungefähr.“
„Ich verstehe das nicht. Du findest ihn super heiß, du bist ein großer Fan … warum sagst du nicht einfach mal etwas?“
„Weil es mir lieber wäre, dass er einen Blick auf eine meiner Arbeiten wirft und sie gut findet, ohne dass er mich als die Frau kennt, die nicht aufhören kann, von ihm zu schwärmen. Ich möchte von ihm als Künstlerin respektiert werden, aber das wird nicht passieren.“
Ich trat an die Wand, an der ihre Bilder hingen. „Warum nicht? Du bist auch gut.“
„Und du hast keine Ahnung von Kunst, weißt du noch?“ Diese Bemerkung klang nicht bösartig, sondern eher liebevoll. Sie trat neben mich. „Meine Werke werden niemals in einem Museum hängen. Ich denke auch nicht, dass jemals jemand einen Wikipedia-Eintrag über mich erstellen wird.“
„Das kann man nie wissen“, erwiderte ich. „Glaubst du, Johnny Dellasandro hat beim Dreh der Filme damals gewusst, dass er eines Tages berühmt dafür sein würde, seinen Hintern in die Kamera zu halten?“
„Es ist ein ziemlich einmaliger Hintern. Komm, sehen wir uns noch einen Film an“, sagte sie.
Um zwei Uhr morgens hatten wir es geschafft, noch genau einen Film anzuschauen. Das lag daran, dass wir bei so vielen Szenen angehalten und zurückgespult hatten, um sie uns ein zweites und drittes Mal anzusehen.
„Warum haben wir diesen hier nicht als Erstes geguckt?“, wollte ich wissen, nachdem wir das dritte Mal zugesehen hatten, wie Johnny mit seiner Zunge am nackten Körper einer Frau hinunterglitt.
Jen drohte mir mit der Fernbedienung. „Süße, man muss sich da langsam herantasten. Du kannst nicht einfach mit so etwas hier anfangen. Davon kannst du im Zweifel einen Hirnschlag erleiden.“
Ich lachte, wobei die Tatsache, dass ich eventuell tatsächlich ein Aneurysma hatte, das mich jederzeit töten konnte – egal was die Ärzte sagten – den Witz einen Tick weniger lustig machte. „Zeig das noch mal.“
Sie spulte eine halbe Minute zurück und ließ die Szene erneut ablaufen. Johnny nannte die Frau eine dreckige Hure, was mit seinem Akzent eher süß als böse klang.
„Das ist so falsch“, sagte ich, wobei ich wie gebannt zuschaute, wie Johnny auf dem Bildschirm mit seinem Mund wieder über ihren nackten Körper fuhr, über ihre Schenkel, sich dann aufrichtete, sie an den Haaren packte und sie herumdrehte. „Das sollte mir nicht gefallen, oder?“
„Süße, ergib dich einfach“, sagte Jen träumerisch.
Im Film nannte er sie erneut eine Hure, sagte ihr, sie wäre schmutzig, dreckig. Dass sie es verdiente, so gefickt zu werden. Dass es ihr doch gefiel, von ihm so hart rangenommen zu werden.
„Gott.“ Ich wand mich ein wenig. „Das ist …“
„Heiß, oder?“ Jen seufzte. „Sogar mit den abgefahrenen Siebzigerjahre-Koteletten.“
„Auf jeden Fall.“
Wir schafften es zum Ende des Films, und ich hatte mal wieder keine Ahnung, worum es gegangen war. Ich wusste nur, dass Johnny die Hälfte der Zeit über nackt gewesen war und mit den meisten anderen Darstellern Sex gehabt hatte – den weiblichen wie den männlichen. Und dass ich ganz dringend etwas Zeit für mich brauchte …
„Noch einen?“ Jen stand auf, und ich erhob mich
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