Der Duft von Orangen (German Edition)
umfassen meinen Arsch und bewegen mich auf und ab. Seine Zunge erobert meinen Mund. Wir küssen uns zum ersten Mal, und ich möchte in seinem Geschmack ertrinken. Seine Zunge streichelt meine. Unsere Zähne schlagen aneinander, weil wir so gierig sind. Er lacht erneut.
„Gefällt dir das?“
„Ja, das gefällt mir.“ Ich habe keinen italienischen Akzent mehr.
Als ich in den Spiegel sehe, kann ich mein Gesicht nicht erkennen. Ich sehe auch nicht unser Spiegelbild, wie wir hier so hübsch auf dieser Koje im Schlafwagenabteil vögeln. Der Spiegel ist mehr wie ein Fenster, nur dass es nicht auf die vorbeiziehende Landschaft hinausgeht. Anstelle von Bergen sehe ich Wände. Ich sehe eine Frau.
Die Frau bin ich!
Sie ist da, ich bin hier; wir sind eins, und ich schaue in die Augen meines Liebhabers, dieses Kellners, dessen Name …
„Johnny.“
Mit seinem Namen auf den Lippen tauchte ich aus der Episode auf. Der Geruch von Orangen war beinahe unerträglich intensiv. Ich beugte mich über das Waschbecken und trank das Wasser direkt aus dem Hahn. Ich richtete mich mit wild klopfendem Herzen und weit aufgerissenen Augen auf, das Gesicht nass vom Wasser. Ich schaute in den Spiegel … aber ich sah nur mich.
3. KAPITEL
H alluzinationen waren für mich nichts Neues. Als kleines Mädchen hatte ich in den ersten Jahren nach dem Unfall Probleme, zwischen der Illusion und der echten Welt zu unterscheiden. Ich wusste nicht, wann ich halluzinierte, alles erschien dann real.
Es half auch nicht, dass keiner der Ärzte, zu denen meine Eltern mich schleppten, eine Ahnung hatte, was mit mir los war. Das Gehirn ist ein noch weitgehend unerforschtes Gebiet. Ich hatte keine Anfälle, doch in den schlimmsten Episoden verlor ich manchmal nicht nur das Bewusstsein, sondern auch die Kontrolle über meine motorischen Fähigkeiten. Ich hatte jedoch keine Schmerzen, abgesehen von den wenigen Malen, als ich während der Blackouts gestürzt war und mir wehgetan hatte.
Je älter ich wurde, desto besser lernte ich zu erkennen, wann eine Episode im Anmarsch war. Ich lernte jedoch nie, währenddessen zu unterscheiden, ob ich halluzinierte oder nicht. Erst wenn ich wieder aufgetaucht war, konnte ich sagen, ob die Episode von Halluzinationen begleitet worden war. Und auftauchen tat ich zum Glück jedes Mal, ob nun mit oder ohne Halluzinationen. Manchmal stand ich einfach unbeweglich, ohne zu blinzeln, für ein paar Minuten da, während die Welt sich um mich herum weiterdrehte und derjenige, mit dem ich mich gerade unterhalten hatte, dachte, ich hätte mich einen Augenblick in Gedanken verloren.
Genauso fühlte es sich für mich auch an. Meine Gedanken wanderten, während mein Körper vor Ort blieb. Ich hatte gelernt, bei Menschen, die mich nicht gut genug kannten, schnell wieder in Unterhaltungen einzusteigen, sodass sie meine Abwesenheit gar nicht groß bemerkten. Ja, ich hatte im Laufe der Zeit gelernt, mich anzupassen.
Die Halluzinationen waren meistens sehr bunt und oft laut. Oft waren sie auch eine Fortführung dessen, was ich getan hatte, als sie einsetzten. Ich konnte gefühlte Stunden in einer Episode verbringen, die aber in Wirklichkeit nicht einmal eine Minutelang dauerte. Oder ich verbrachte sehr lange Zeit in ereignisloser Dunkelheit, bevor ich für wenige Sekunden in einen Traumzustand verfiel.
Bis zu diesem Tag hatte ich jedoch noch nie eine so lebendige, intensive Halluzination von solch extrem sexueller Natur erlebt.
Ich brauchte eine Weile, um mich davon zu erholen. Am Sonntag im Bett zu bleiben war für mich nicht ungewöhnlich, aber die Tatsache, dass ich mir meinen Laptop geschnappt und mit unter die Decke genommen hatte, schon. Normalerweise ist mein Bett mein Heiligtum, ein Ort allein dem Schlaf gewidmet, nicht der Arbeit. Und obwohl ich meinen Laptop liebte, als wäre er mein siamesischer Zwilling, den ich seit der operativen Trennung in einem Täschchen mit mir herumtrug, zog ich es vor, am Schreibtisch oder auf der Couch daran zu arbeiten. Nun jedoch benutzte ich das Trackpad, um durch die Liste der Suchergebnisse zu scrollen.
Johnny Dellasandro, natürlich. Es hatte mich schlimm erwischt.
Es gab eine Website für seine Galerie. Der einzige Hinweis auf seine vorhergehende Schauspielkarriere bestand aus den drei Wörtern „Star aus Independentfilmen“ in seiner Biografie, gefolgt von einer etwas längeren Liste seiner sonstigen beruflichen Erfolge. Auf der Website waren die Öffnungszeiten angegeben sowie eine
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