Der Duft von Orangen (German Edition)
Er schaute mich nicht mehr an, und ich wusste nicht, wie ich ihr sagen sollte, dass er es getan hatte. Falls er es getan hatte – es fiel mir leicht, mich davon zu überzeugen, ich hätte es mir nur eingebildet.
„Emm?“
„Er ist so unfassbar schön.“ Meine Stimme klang nicht, als gehörte sie zu mir. Sie war rau und schroff und voller Sehnsucht.
„Ja.“ Jen runzelte die Stirn und warf ihm einen Blick zu.
Er ging an einen Tisch im hinteren Bereich und schaute auf, als die Glocke über der Tür ertönte. Jen und ich schauten ebenfalls auf. Eine Frau ungefähr in meinem Alter, vielleicht ein oder zwei Jahre älter, marschierte direkt in den hinteren Bereich, ohne am Tresen anzuhalten. Von meinem Platz aus konnte ich sehen, wie sie sich gegenüber von Johnny auf den Stuhl gleiten ließ und sich vorbeugte, damit er sie mit einem Küsschen begrüßen konnte. Mir wurde ganz flau im Magen, und ich starrte mit gesenktem Kopf auf meine Stiefel, die ich heute Morgen so sorgfältig ausgewählt hatte.
„Ach verdammt“, sagte ich enttäuscht.
Jen schaute mich an. „Ich kenne sie nicht.“ „Ich auch nicht.“
„Sie gehört nicht zu den Stammkunden“, fuhr Jen leicht beleidigt fort. „Also wirklich, er hätte sich wenigstens eine der Stammkundinnen aussuchen können.“
Mir war eigentlich nicht nach Lachen zumute, aber ich konnte nicht anders. Ihre Bemerkung war einfach zu komisch. „Warum gehst du nicht zu ihr und forderst sie zu einem Tanzduell heraus oder so?“
Jen schüttelte den Kopf und schaute mich ernst an. „Lieber nicht.“
Ich wollte gerade sagen, dass ich nur einen Witz gemacht hatte, aber die Art, wie Jen erst Johnny, dann die Frau und schließlich mich anschaute, ließ mich innehalten. Sie lächelte nicht. Ich hatte das Gefühl, sie studierte mich eindringlich. Eine andere Form der Hitze kroch in meine Kehle und meine Wangen – ich fühlte mich irgendwie schuldig.
„Nein“, sagte sie noch einmal. „Ich glaube nicht.“
Mein Handy vibrierte in meiner Tasche. Ich nahm es heraus. „Das ist meine Mom.“
„Geh ruhig ran. Ich werde mir einen Kaffee und ein Stück Kuchen holen oder so. Du willst einen Muffin und einen Kaffee zum Nachfüllen, richtig?“
„Ja. Danke.“ Ich wühlte in meiner Tasche nach Geld, doch Jen winkte ab. Ich konnte nicht widersprechen, weil ich bereits den Knopf zur Anrufannahme gedrückt hatte. „Hey, Mom.“
„Was ist los?“
„Nichts ist los – warum denkst du immer, dass etwas los sein muss?“ Eigentlich hätte ich mich von ihrer Frage genervter fühlen müssen, aber in Wahrheit tat es gut, die Sorge in der Stimme meiner Mutter zu hören. Es tat gut, so geliebt zu werden.
„Ich denke, dass etwas los ist, Emmaline, weil du mich an einem Sonntagmorgen vor dem Mittagessen angerufen hast. Du kannst deine Mutter nicht anlügen.“
„Oh, Mom.“ Manchmal klang sie so viel älter, als sie war. Mehr wie eine Großmutter als wie eine Mutter, und doch wusste ich anhand von Fotos und Erzählungen, dass sie ein wildes Kind der Sechzigerjahre war. Noch mehr als mein Dad sogar, der höchstens an Weihnachten, wenn er ein wenig angesäuselt war, gestand, er fände, Haschisch solle legalisiert werden.
„Also, schieß los.“
„Es ist nichts“, versicherte ich ihr. Mein Blick hatte sich schon wieder zu Johnny verirrt, aber er schaute nicht in meine Richtung. Er unterhielt sich intensiv mit der Frau; beide lehnten sich auf diese Weise vor, die auf äußerste Intimität schließen ließ. Ich riss meinen Blick los und konzentrierte mich auf mein Telefonat. „Ich wollte nur wissen, wie es euch so geht.“
„Oh.“ Meine Mutter klang überrascht. „Nun, dein Dad und ich sind heute zum Frühstück im Old Country Buffet gewesen.“
„Ihr … ihr seid frühstücken gegangen?“
Jen stand am Tresen, nur wenige Meter von Johnny entfernt, aber sie wirkte nicht so, als versuchte sie, auch nur einen Blick in seine Richtung zu werfen, geschweige denn die Unterhaltung zu belauschen. Seinem Gesichtsausdruck und seiner Körperhaltung nach zu urteilen, war das Gespräch sehr persönlich. Ich konnte das Gesicht seiner Gesprächspartnerin nicht sehen, aber ihre gestrafften Schultern und ihre ganze Körpersprache verrieten mir alles, was ich wissen musste.
„Ja, wieso, dürfen wir das nicht?“ Meine Mom klang ein wenig seltsam, irgendwie kürzer angebunden als sonst.
„Natürlich dürft ihr das. Mom, geht es dir gut?“
„Die Frage sollte ich eigentlich dir
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