Der Duft von Orangen (German Edition)
und mach dir keine Sorgen. Wirklich. Ich hab dir ja gesagt, der Film ist gar nicht so gut.“
„Ach, jeder Film mit Johnny ist gut.“ Sie klang nicht ganz so überzeugt wie sonst.
Jared muss wirklich sehr süß sein, dachte ich, war ihr aber nicht böse.
„Bist du sicher, dass es dir nichts ausmacht? Von wegen Freundschaft geht vor und so?“
„Um Himmels willen, nein!“, sagte ich. „Wenigstens eine von uns sollte ein wenig Aufregung im Leben haben.“
„Es ist nur ein Abendessen“, wiegelte Jen ab, aber ich hörte die Aufregung in ihrer Stimme.
„Genieß es. Ich erwarte Freitag einen ausführlichen Bericht.“ „Sollst du kriegen.“
Wir legten auf, und in dem Moment fing mein Kessel an zu pfeifen. Ich goss das heiße Wasser über das Tee-Ei und ging dann raus, um den Rest aus dem Auto zu holen. Auf der Straße fuhr ein Wagen an mir vorbei und blieb vor Johnnys Haus stehen. Ich tat so, als müsste ich Sachen in meinem Kofferraum hin und her schieben, während ich unauffällig guckte, wer da wohl ausstieg.
Es war Johnny. Natürlich. Und die Frau, die ich schon einmal mit ihm im Coffeeshop gesehen hatte. Er half ihr über die glatten Stellen auf dem Bürgersteig, indem er sie am Ellbogen festhielt. Eifersucht, irrationale und sinnlose Eifersucht packte mich. Ich knallte den Kofferraumdeckel so heftig zu, dass es auf der ganzenStraße zu hören war. Die beiden drehten sich zu mir um. Ich tat so, als sei ich vollauf mit meiner Box beschäftigt.
Er gehörte mir nicht. Meine zusammengestückelten Fantasien gaben mir keinerlei Rechte an irgendwelchen wie auch immer gearteten Gefühlen bezüglich dessen, was Johnny mit seinem Leben anstellte. Wir waren kein echtes Liebespaar. Himmel, wir waren ja noch nicht mal befreundet.
Trotzdem stieß ich eine Reihe von Flüchen aus, während ich den Kram, den ich von zu Hause mitgebracht hatte, auspackte und im Haus verteilte. Ein paar alte, wunderschöne Kinderbücher stellte ich aufs Regal, und eine gerahmte Kinderzeichnung von mir hing ich an die Wand im Wohnzimmer. Ich hielt inne und schaute mir das Bild an. Gar nicht mal so schlecht – was vermutlich der Grund dafür war, dass meine Mom es hatte rahmen lassen. Ich war künstlerisch begabter, als ich dachte.
Meine Initialen hatte ich in die untere rechte Ecke geschrieben – E.M.M. für Emmaline Marie Moser. Ich lächelte, wie immer, wenn ich meinen Namen so geschrieben sah. Ich hatte wirklich kluge Eltern.
Auf dem Bild war ein Haus zu sehen, vor dem eine Frau und ein Mann standen. Die Frau war eine Prinzessin oder eine Braut, vielleicht auch beides. Das war schwer zu sagen, da der rosafarbene Rüschenrock, der Schleier und die Blumen in ihrer Hand zu beiden passen würden. Sie und der Mann hielten sich an den Händen. Ihr Lächeln war eine gebogene Linie, die von einem Ohr zum anderen reichte. Er sah mehr aus wie ein Prinz als wie ein Bräutigam, weil er keinen Smoking, sondern einen langen schwarzen Mantel und einen noch längeren gestreiften Schal trug.
Ich schaute genauer hin. Langer schwarzer Mantel. Langer gestreifter Schal. Mein Magen schlug einen Purzelbaum. Ich griff nach dem Bild. Das Glas war ganz staubig und fleckig, der Holzrahmen an den Ecken ein wenig lose.
Das war mein Haus. Dieses hier. Hoch und schmal, drei Fenster auf der einen Seite der Haustür, eines auf der anderen. Okay, es könnte jedes Haus sein, aber es sah aus wie meins.
Und dann sah ich die Tardis , die Raum-Zeit-Maschine aus der britischen Science-Fiction-Fernsehserie Doctor Who . Beim ersten Mal war sie mir gar nicht aufgefallen, da sie halb von perspektivisch nicht ganz richtig gemalten Bäumen verborgen stand. Wow!
„Hallo, Doktor.“ Ich berührte die Figur noch einmal. Das Rätsel war gelüftet. Als Kind war ich ein Riesenfan von Doctor Who gewesen. Ich will niemandem zu nahetreten, aber auch wenn der Hauptdarsteller schon von vielen Schauspielern verkörpert wurde, wird Tom Baker für alle Zeiten der einzig wahre „Doctor“ für mich sein.
„Freak“, sagte ich liebevoll zu meinem achtjährigen Ich und hängte das Bild wieder auf.
Das Rätsel um meine Kleidung war hingegen noch immer nicht gelöst, und es nagte den ganzen Tag über an mir. Ich konnte gar nicht aufhören, mir ein Horrorszenario nach dem nächsten auszudenken. Zumindest hatte ich nichts Illegales angestellt, so viel stand fest. Oder man hatte mich dabei nicht erwischt. Ich war weder in den Abendnachrichten noch – soweit ich das beurteilen konnte
Weitere Kostenlose Bücher