Der Duft von Orangen (German Edition)
wünschte, es wäre so. Aber du hast definitiv abgenommen.“ Ich hatte sie das letzte Mal vor ungefähr einem Monat gesehen, aber sie hatte Gewicht verloren. Sie trug einen Trainingsanzug und hatte bei ihrem Aufschrei eine Sporttasche neben sich auf den Boden fallen lassen. „Wart ihr im Fitnessstudio?“
Mom schaute erst die Tasche an, dann ihre Kleidung, dann mich. „Ja. Dein Dad und ich dachten, wir sollten langsam mal etwas für uns tun.“
Meine Mom war nie dick gewesen. Nur an Hüften und Busen wohlgerundet. Es war seltsam, ihre Wangen so hohl zu sehen. Ich hatte ihr das Kleid mit dem Gedanken gebracht, dass es ihr wohl kaum passen würde, aber jetzt sah es beinahe so aus, als könnte es ihr zu groß sein.
„Wow“, sagte ich. „Ich sollte mir von dir eine Scheibe abschneiden.“
Das war ihr Lieblingssatz, und ich klang genauso wie sie. Sie lachte und zog mich in ihre Arme. Ich schloss die Augen und erwiderte die Umarmung innig.
„Ach, mein kleines Mädchen, du hast mir gefehlt.“
„Mom“, protestierte ich aus Gewohnheit und nicht, weil es mir wirklich etwas ausmachte.
„Was tust du überhaupt hier?“ Sie ließ mich los.
„Ich habe dir das Kleid gebracht.“
„Oh stimmt ja. Toll!“ Meine Mom strahlte. „Ich springe nur schnell unter die Dusche, und dann probiere ich es an. Hast du schon gegessen? Für Dad und mich mach ich nur einen Salat, aber im Kühlschrank sind noch Reste.“
„Nein, danke, lieb gemeint.“
Ich ging an den Kühlschrank und nahm die Milch heraus. Doch als ich den Oberschrank öffnete, konnte ich nirgends das Kakaopulver entdecken. Ich drehte mich um, und mein Blick fiel auf den Tisch. Der war auch neu. Er hatte die gleiche Größe und Form wie der alte, aber er war definitiv anders. Ich stellte die Milch zurück und ließ mich schwer auf einen der ebenfalls neuen Stühle fallen.
„Na, was meinst du?“ Beinahe schüchtern kam meine Mom in die Küche. Das Kleid passte ihr perfekt, nur um die Brust war es ein wenig weit. Sie drehte sich langsam um die eigene Achse.
„Du siehst toll aus.“
„Findest du?“ Sie zupfte am Ausschnitt, der wesentlich tiefer war als bei ihren sonstigen Kleidern. „Ist es nicht zu weit ausgeschnitten?“
„Nein. Überhaupt nicht. Mit hochgesteckten Haaren und einer hübschen Kette wird das großartig aussehen. Du bräuchtest nur andere Schuhe.“ Ich zeigte auf ihre dicken Socken, und wir lachten beide.
„Gut. Das wäre dann erledigt.“ Sie strich das Kleid über ihrem Bauch glatt und drehte sich hin und her, um sich in dem Spiegel zu betrachten, der auf der Kellertür befestigt war. „Dann muss ich mir keins kaufen.“
„Wozu willst du es anziehen?“ Ich dachte, sie würde sagen, zu einer Hochzeit oder so.
„Oh …“ Meine Mutter kaute ein wenig auf ihrer Unterlippe, bevor sie mich mit glänzenden Augen anschaute. „Dein Dad hat mich zu unserem Hochzeitstag auf eine Kreuzfahrt eingeladen.“
„Was?“ Meine Kinnlade fiel herunter.
„Ja. Und an einem Abend ist Kapitänsdinner. Dafür ist das Kleid perfekt.“
Ich konnte es kaum fassen. „Eine Kreuzfahrt? Du und Dad?“
„Ja.“ Sie strahlte. „Vor Alaska.“
Nicht einmal in der Karibik, die eindeutig näher war. „Wow. Das ist toll, Mom.“
„Wir zwei sind seit … puh, vermutlich seit unseren Flitterwochen nicht mehr alleine verreist.“
Sie würde es nie sagen, und ich kenne viele Eltern, die nicht ohne ihre Kinder verreisen, solange die noch klein sind. Aber meine Eltern waren noch Jahre, nachdem ihre Freunde angefangen hatten, alleine Wochenendtrips zu unternehmen, immer zu Hause geblieben.
Plötzlich stand ich kurz davor, in Tränen auszubrechen, die meine Mom nicht sehen sollte. „Das klingt nach verdammt großem Spaß. Wann geht es los?“
„Oh, erst im März. Deshalb gehen wir jetzt ja auch ins Fitnessstudio. Marianne Jarvis – du erinnerst dich doch an sie? Sie hat gesagt, auf einer Kreuzfahrt gibt es so viel zu essen, dass man danach zehn Pfund mehr auf den Rippen hat. Also dachte ich, die sollten wir mindestens vorher abnehmen.“ Sie strich erneut über die Vorderseite des Kleids.
„Ihr werdet bestimmt eine unvergessliche Zeit haben. Und du siehst fabelhaft aus.“
Sie musterte mich. „Emm? Ist mit dir alles in Ordnung?“
Kein Kakao. Ein neuer Tisch. Meine Mutter in einem schwarzen Cocktailkleid, jünger und hübscher, als ich sie je zuvor gesehen habe. Das waren die Veränderungen, die seit meinem Auszug stattgefunden hatten, und
Weitere Kostenlose Bücher