Der Duft von Orangen (German Edition)
Mitgefühl schamlos aus und drückte meine Wange fest gegen seine Brust. Seinen Herzschlag zu hören beruhigte mich.
Johnny strich mir mit der Hand über den Rücken und mein Haar. „Pst. Es war nicht schlimm.“
Ein Schauer der Erleichterung überlief mich. Ich schloss meine Augen. „Es tut mir so leid, was auch immer es war.“
Johnny sagte nichts, sondern hielt mich nur fest. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Mit einem Finger malte er Muster auf meinen Rücken, und auch mein Herz schlug schneller.
Ich atmete tief ein. Meine Geschichte war kein Geheimnis, ich erzählte sie nur nicht gleich jedem. Selbst Jen wusste nichts davon, und sie war inzwischen meine beste Freundin. Doch Johnny musste ich davon erzählen, ihm musste ich es erklären, auch wenn ich wusste, dass ich sein Mitleid nicht ertragen würde.
„Als ich sechs Jahre alt war, bin ich von einem Klettergerüst gefallen und habe mir den Kopf so stark angeschlagen, dass ich eine Woche im Koma lag.“
Seine Hand hielt in der Bewegung inne. Er löste sich nicht von mir, aber ich spürte, wie sich jeder Muskel in seinem Körper anspannte. Sein Herz schlug noch schneller, doch er sagte nichts.
„Ich erlitt eine unbestimmte Hirnschädigung, die glücklicherweise keinerlei motorische Einschränkungen mit sich zog. Aber seitdem erleide ich immer wieder mal … Blackouts. Eine Art von Anfällen. Sie halten meistens nur ein paar Sekunden an, aber sie können auch mehrere Minuten dauern.“
„Halluzinationen“, sagte Johnny.
Erstaunt lehnte ich mich zurück, um ihn anzuschauen. „Was?“ „Sie haben Halluzinationen“, sagte er.
„Ja. Ich weiß. Aber woher wissen Sie das?“ „Ich kenne mich eben gut aus.“
Ich entzog mich ihm ein wenig, doch er hielt mich immer noch fest, und auf keinen Fall wollte ich, dass er mich losließ. Mein Bauch drückte auf eine Weise gegen seine Gürtelschnalle, dassmir die Knie weich wurden. „Ich nenne sie Episoden, obwohl sie medizinisch gesehen als alles Mögliche von kleinem bis großem epileptischem Anfall diagnostiziert wurden. Ich hatte eine sehr lange Zeit Ruhe vor ihnen. Bis vor ein paar Wochen. Da kehrten sie zurück. An jenem Abend in Ihrem Haus.“
„Sie sind ohnmächtig geworden“, sagte Johnny. „Ihr Gesicht wurde ganz ausdruckslos.“
„Oh Gott“, sagte ich verzweifelt. „Wie peinlich. Was ist noch passiert? Wie kam es, dass ich ohne …“
„Machen Sie sich darüber keine Gedanken“, unterbrach Johnny mich. In seinen grünbraunen Augen blitzte es. „Ich habe Ihnen doch gesagt, dass es nicht schlimm war. Sie konnten nichts dagegen tun, richtig?“
Das Letzte, was ich wollte, war, dass er mich anschaute, als wäre ich irgendein medizinischer Freak. Anormal. Behindert. „Nein, aber …“
„Dann machen Sie sich keine Sorgen. Es ist alles vergessen.“
Er hielt mich immer noch fest. Sein Blick brannte förmlich auf mir. Ich hatte gedacht, dieses intensive Starren zu kennen, aber es live zu sehen war etwas ganz anderes als auf dem Bild-schirm. Wir beide atmeten schneller. Bauch an Bauch, in enger Umarmung – ich müsste mich nur auf die Zehenspitzen stellen, um ihn zu küssen.
Ich küsste ihn.
Nur eine kurze Berührung unserer Lippen. Mehr traute ich mich nicht. Als sein Mund sich aber unter meinem öffnete und er mich fester an sich zog, keuchte ich erstaunt auf. Unsere Zungen trafen einander, die Welt neigte sich, aber ich klammerte mich an ihn und verhinderte so, zu fallen.
Zumindest dachte ich das. In der nächsten Sekunde stand ich einen halben Meter von ihm entfernt, meine Lippen waren noch feucht von unserem Kuss, und mein Herz schlug so schnell, dass es in meinen Ohren dröhnte. Es gab für ihn nicht viel Raum, sich zurückzuziehen, also lehnte er sich gegen den Tisch und hielt mich auf Armeslänge von sich.
Ich wimmerte, als er mich losließ.
Es war ein dummes, peinliches Geräusch, aber was machte eine Demütigung mehr schon aus? Ich schlug mir eine Hand vor den Mund. Meine Augen fühlten sich so weit aufgerissen an, als könnte ich die ganze Welt sehen.
Johnny erschauerte und wandte sich von mir ab. „Gehen Sie. Gehen Sie einfach nach Hause.“
„Aber …“
„Emm.“ Mein Name brachte mich zum Schweigen. „Ich sagte, geh jetzt. Bitte.“
Und das tat ich. Mit zwei wackligen Schritten war ich an der Türschwelle und blieb stumm stehen, während er die Tür hinter mir zumachte. Seinen Geschmack noch auf der Zunge, ging ich mit weichen Knien los. Mein Herz schlug so
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