Der Duft von Orangen (German Edition)
Mal hatte das Gefühl aber keinen sexuellen Hintergrund. Falls Johnny flirtete, war es so subtil, dass es mir nicht auffiel. Aber er sah so aus, als mochte er die Leute, mit denen er zusammen war. Und ich wollte auch dazugehören.
Er schaute auf. Sah mich. Sein Lächeln schwand nicht, sein Lachen blieb. Er winkte mich nicht zu sich, aber er wirkte auch nicht, als wünschte er, dass ich wieder gehe. Eher so, als hätte er mich erwartet.
Ich vertrieb mir die Zeit damit, mir die Kunst in diesem Zimmer anzusehen, während seine Bewunderer ihm ihren Respekt aussprachen und einer nach dem anderen ging, bis wir schließlich die Einzigen in dem Raum waren. Ich spürte ihn hinter mir, bevor ich ihn sah. Ich schaute mir das Werk vor mir noch für einen langen, schweigenden Moment an, in dem ich versuchte, den Mut zusammenzunehmen, um zu sprechen.
Johnny wartete nicht. „Gefällt es Ihnen?“
Ich warf ihm aus dem Augenwinkel einen Blick zu, traute mich aber noch nicht, ihn anzuschauen. „Es ist schön.“
„Schön? Zum Teufel mit schön. Kunst ist nicht schön. Kunst soll den Betrachter bewegen.“
Ich schaute ihn an. „Tut mir leid. Ich kenne mich mit Kunst nicht aus.“
Johnny lachte, es klang nicht unfreundlich. „Was gibt es da auszukennen? Glauben Sie, man braucht ein Diplom oder eine fesche Baskenmütze, um Kunst zu verstehen? Nein. Man braucht nichts davon. Man muss sie einfach nur fühlen.“
„Tja“, sagte ich nach einer Weile. „Ich schätze, bei dem hier fühle ich nicht sonderlich viel.“
„Ich auch nicht“, gab Johnny zu. „Ich hab’s nur hier hingehängt, weil der Junge ein wenig Geld braucht, um sein College zu bezahlen, und manchen Leuten dieser Stil gefällt.“
Ich lachte und drehte mich endlich zu ihm um. „Wirklich?“ „Wirklich.“
Wir schauten das Bild noch einen Augenblick an.
„Ich wollte Ihnen dafür danken, dass Sie mir meine Kleidung zurückgebracht haben“, sagte ich.
Johnny erwiderte nichts. Die Musik war hier leiser als in den anderen Räumen. Ich konnte das Summen der Unterhaltung aus dem Rest des Hauses hören, das Klappern von Absätzen auf dem Holzfußboden. Aber hier drinnen waren wir immer noch allein.
„Ich habe es Ihnen doch gesagt. Es ist kalt da draußen. Sie brauchen einen Mantel.“
„Johnny …“
Seine Augen blitzten, doch ich würde ihn nicht Mr Dellasandro nennen. „Das war gar nichts. Machen Sie sich keine Gedanken.“
„Wo hatten Sie sie her?“ Ich trat zwei Schritte näher und bemerkte, dass er nur einen Schritt zurückmachte. Ich wollte nicht, dass jemand uns hörte … und ich wollte ihm näher sein.
„Sie haben Sie in meinem Haus zurückgelassen“, sagte Johnny.
Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Ich schluckte bittere Galle hinunter. „Oh Mist. Was ist passiert? Was habe ich getan? Ich meine … oh Gott, das ist so peinlich. So …“
Bevor ich mich versah, hatte er meinen Ellbogen gepackt und führte mich durch eine schmale Tür in ein winziges Büro, wo er mich auf einen Stuhl setzte, meinen Kopf zwischen meine Beine drückte und mir ein Glas Wasser einschenkte.
„Atmen“, befahl Johnny. „Und wenn Sie sich übergeben müssen, dann um Himmels willen bitte in diesen Eimer.“
Ich musste mich nicht übergeben, aber die Welt drehte sich auf alarmierende Weise. Nicht so, als würde ich wieder in eine Trance fallen – das glich immer eher einem seitlichen Wegrutschen. Das hier war mehr, als hätte ich zu viele Runden auf einem Karussell gedreht. Ich nippte an dem Wasser und atmete tief durch.
„Sie sind weiß wie die Wand. Trinken Sie.“
Ich tat es. „Tut mir leid. Aber ich muss es einfach wissen.“
„Sie erinnern sich nicht?“ Sein Akzent verstärkte sich, wenn er besorgt war.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“
Er rieb sich mit der Hand übers Gesicht und drückte dann mit zwei Fingern seine Nasenwurzel. Er setzte sich auf die Ecke des Schreibtischs. Ich war ihm so nah, dass ich sein Knie hätte berühren können, tat es aber nicht.
„War es … sehr schlimm?“ Ich hatte in der letzten Zeit eine solche Achterbahnfahrt der Gefühle mitgemacht, dass ich meine Tränen erst bemerkte, als sie anfingen, mir über die Wangen zu laufen. „Bitte, Johnny. Bitte sagen Sie mir, dass es nicht schlimm war.“
„Hey, hey“, sagte er. „Nicht weinen.“
Seine Umarmung war so warm und vertraut, obwohl ich wusste, dass es nur mein Gehirn war, das mir diese Vertrautheit vorgaukelte. Es war mir egal. Ich nutzte sein
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