Der Duft von Orangen (German Edition)
ich wollte ihr die Vorfreude nicht mit meinen Ängsten zerstören.
„Das fragst du mich immer. Und was sage ich darauf?“ „Du sagst immer, dass es dir gut geht.“
„Also, mir geht es gut.“
„Okay, ich ziehe mich nur schnell um. Bleibst du noch ein bisschen? Ich kann dir was zu essen warm machen.“
„Ich muss noch ein paar Sachen aus dem Keller holen, wenn das okay ist.“
Sie schaute mich merkwürdig an. „Natürlich ist das okay, Liebes.Das hier ist immer noch auch dein Zuhause, und das wird es immer sein.“
Ich schaffte es in den Keller, bevor ich in Schluchzer ausbrach, die ich mit meiner Hand erstickte. Der abgenutzte Sessel, den ich hiergelassen hatte, stand immer noch da, und ich ließ mich hineinfallen, beide Hände vor den Mund geschlagen, um ja kein Geräusch von mir zu geben. Ich wiegte mich hin und her und weinte aus Gründen, die ich nicht wirklich verstand.
Ich wollte doch unabhängig sein. Wieso nur fühlte ich mich auf einmal so verlassen?
Ich zwang mich, mich zusammenzureißen, bevor ich endgültig den Halt verlor. Dieser Zusammenbruch war kindisch und rührselig, ganz zu schweigen von selbstsüchtig. Und dumm. Und unehrlich, weil ich ganz genau wusste, hätte ich meiner Mom erzählt, dass ich wieder unter Episoden litt, hätte sie mich an einen Küchenstuhl gebunden und mich erst wieder gehen lassen, wenn ich einen Termin bei meiner Ärztin vorweisen könnte. Und vielleicht nicht einmal dann.
Ich wollte es ihr sagen, damit sie mich umsorgte und verwöhnte. Ich wollte es ihr nicht sagen, weil ich wusste, dass sie genau das tun würde. Ich konnte nicht beides haben; das war eine Last, die ich zu tragen hatte, nicht sie. Ich war beinahe zweiunddreißig Jahre alt, und es war an der Zeit, auf eigenen Füßen zu stehen.
Ich hatte nicht viel hiergelassen, aber in einer Ecke standen ein paar Plastikboxen mit allem möglichen Kram. Alte Jahrbücher und Fotoalben, ein paar lieb gewonnene Puppen. Sachen, von denen ich gedacht hatte, ich würde sie mir nie wieder ansehen wollen und die mir nun doch öfter in den Sinn kamen, je mehr Kartons ich in meinem Haus auspackte. Okay, dann war es halt albern, dass ich die alte My-Friend-Mandy-Puppe wieder so auf dem Regal sitzen sehen wollte, wie sie all die Jahre in meinem Zimmer gesessen hatte. Ich hatte diese Sachen hiergelassen, weil ich ein erwachsenes Haus hatte haben wollen. Aber ohne diese Stücke aus meiner Kindheit fühlt es sich so nackt an.
Ich zog die Boxen aus der Ecke und öffnete sie nacheinander,um sicherzugehen, dass es auch die richtigen waren. Ich wollte nicht aus Versehen die Weihnachtsdekoration meiner Mutter mit nach Hause schleppen. Alles war noch da, genau wie ich es hinterlassen hatte. Und in der dritten und letzten Kiste lag ganz obenauf …
„Hey, Mom?“, rief ich ihr auf dem Weg nach oben zu. Sie tauchte am Kopf der Treppe auf, gekleidet in Jeans und Sweatshirt und mit einem Ofenhandschuh in der Hand. „Hast du das in meine Kiste gelegt?“
„Georgette? Ja. Ich habe sie hinter dem Sessel gefunden, als ich da unten ein wenig sauber gemacht habe. Ich nahm an, dass du sie behalten wolltest.“
Ich hielt den Stoffkoalabären hoch, der genau in meine Handfläche passte. Das Fell war an einigen Stellen ganz abgewetzt, und ein Auge war sorgfältig wieder festgeklebt worden, nachdem es beinahe einen ganzen Tag lang verschwunden gewesen war. Mein Grandpa hatte mir den Teddy gekauft, als ich nach dem Sturz auf dem Spielplatz im Krankenhaus lag. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie es war, aufzuwachen und ihn in meinem Arm vorzufinden. Ein neues, unbekanntes Spielzeug, das mir schnell mehr bedeutete als alles andere.
„Ich kann nicht glauben, dass ich sie hier vergessen habe.“ Ich drückte die Koaladame an mich.
„Jetzt kannst du sie ja mitnehmen“, sagte meine Mom. „Ja“, sagte sich. „Das werde ich auch.“
Auf dem Heimweg saß Georgette neben mir auf dem Beifahrersitz. Als ich aus dem Auto stieg, steckte ich sie in die Tasche meines Mantels – ein altes Stück, den ich auch von meinen Eltern mitgenommen hatte, da mein richtiger Mantel immer noch nirgendwo aufgetaucht war. Dann nahm ich eine der Boxen aus dem Kofferraum und hievte sie den Bürgersteig zu meinem Haus hinauf.
Jemand hatte mir ein Päckchen hinterlassen. Nun ja, eher eine braune Papiertüte aus dem Supermarkt. Ich stellte die Box ab und suchte nach meinen Schlüsseln, während ich mit dem Fuß sanft gegen die Tüte stieß. Ich hatte
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