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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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Mohammed in flehendem Ton. Er hatte kleine, ölig glänzende Augen. » Sie müssen sich etwas wünschen. Nur ein Narr würde die Gelegenheit ausschlagen. Sag der guten Dame, Hasi, sag ihr, sie darf sich diese Chance nicht entgehen lassen.«
    Hasi ließ ein trauriges Glucksen vernehmen, während seine kleinen Finger – nicht größer als Streichhölzer – an meinem Ärmel zupften.
    Da griff ich abermals in meine Handtasche, fischte einen Sou aus meinem Portemonnaie und legte ihn in die kleine, fast menschlich anmutende Hand, worauf ich mit einem ohrenbetäubenden Kreischen belohnt wurde. Hasi kletterte wieder an meinem Arm hoch und auf meine Schulter, von wo aus er mit einem Satz auf Mohammeds Schulter sprang. Dabei kratzte er mich mit einem Zehnagel am Hals. In einer einstudierten Bewegung ließ das Äffchen die Münze in die Tasche der Weste gleiten, die Mohammed über seinem langen Hemd trug. Dann machte er wieder eine Grimasse, presste den Mund an Mohammeds Ohr und ließ erneut ein paar glucksende Laute vernehmen, woraufhin Mohammed ernst nickte.
    » Madame, Hasi hat mich informiert, dass es in Ihrem Leben eine Veränderung geben wird. Und zwar hier in Marokko.«
    Natürlich war das Unsinn, und doch war meine Neugierde geweckt. Mein Hals brannte an der Stelle, an der Hasi mich unabsichtlich gekratzt hatte. » Was für eine Veränderung?«
    Mohammed rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. » Hasi braucht noch einen Sou, um sein Wissen preiszugeben.«
    Wieder tauchte ich die Hand in meine Tasche und legte meinen letzten Sou in die winzige schwarze Hand. Schnell wie der Blitz verschwand sie in Mohammeds Westentasche, ehe der Affe wieder so tat, als flüstere er seinem Herrn etwas ins Ohr.
    » Aha. Eine solche Geschichte habe ich noch nie von Hasi gehört, Madame. Das ist ja wirklich interessant. Sie sind nach Marrakesch gekommen, um etwas zu finden. Sie haben etwas verloren, etwas, was Ihnen sehr viel bedeutet. Stimmt das? Ich kann an Ihrem Gesicht ablesen, dass Hasi recht hat.«
    Zuerst antwortete ich nicht, dann schüttelte ich den Kopf – gewiss erzählte Mohammed jedem Ausländer die gleiche Geschichte. Ich wollte ihm nicht zeigen, dass er in meinem Fall ins Schwarze getroffen hatte.
    » Vraiment? Wirklich nicht, Madame? Sie streiten es ab? Hasi hat mir nämlich erzählt, dass Sie traurig sind, aber das wird sich bald ändern. Sehr bald. Unter dem Kreuz des Südens werden Sie finden, was Sie suchen. Aber weil es eine andere Gestalt angenommen hat, werden Sie es möglicherweise nicht erkennen.«
    » Dem Kreuz des Südens?«
    Mohammed blinzelte gen Himmel. » Das Sternbild, Madame. Hier in Afrika. Das Kreuz des Südens. Sie müssen nachts den Himmel betrachten. Und darunter werden Sie finden, wonach Sie suchen. Aber denken Sie daran, Madame, denken Sie daran, dass es hier die Anderen gibt, die Dschinn. Sie verkleiden sich als Menschen. Seien Sie vorsichtig. Passen Sie auf, dass Sie keine unkluge Entscheidung treffen.«
    Plötzlich schrie Hasi und hüpfte auf und ab.
    Der Laut gellte mir in den Ohren. Ich schloss die Augen, und schon schoben sich ungebeten die Bilder vor mein geistiges Auge: Hasis düstere Grimasse, sein offener Mund mit den winzigen scharfen Zähnen, dann die offenen Münder der bettelnden Kinder. Die Zähne, die in das Tuch eingeschlagen waren, und der grinsende Zahnzieher mit seiner Zange.
    Als ich die Augen wieder aufmachte, erblickte ich eine Reihe gehäuteter Köpfe; eine Schrecksekunde lang dachte ich, ich hätte die Köpfe der Enthaupteten vor mir, von denen Mr Russell gesprochen hatte. Mein Magen krampfte sich zusammen, und unwillkürlich krümmte ich mich. Doch dann sah ich, dass es keine menschlichen Köpfe waren, sondern Ziegenköpfe, blau, von Fliegen übersät und mit hervorstehenden Augen. Sie waren auf einem niedrigen Tisch aufgereiht. Ein Mann in einer abgewetzten dschellaba winkte mich nickend zu sich.
    Zitternd ging ich weiter. Ich durfte hier nicht ohnmächtig werden, nicht hier auf dem mit Unrat übersäten Boden.
    » Kommen Sie zurück, Madame!«, rief Mohammed hinter mir her. » Nur noch einen Sou, und Hasi wird Ihnen mehr erzählen. Er wird Ihnen etwas von äußerster Wichtigkeit verraten, etwas, was Sie brauchen, um sich vor den Anderen zu schützen. Nur einen Sou, Madame.«
    Stolpernd setzte ich meinen Weg fort. Ich berührte den brennenden Kratzer an meinem Hals und starrte dann auf den Blutstreifen an meinem Finger. Als ich das hohe Minarett der Koutoubia-Moschee

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