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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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Körbe.
    Da ich es nicht wagte, mitten über den Platz zu gehen und noch mehr Aufmerksamkeit zu erregen, bewegte ich mich am Rand entlang vorwärts. Ich musste einen Bogen um einen Mann machen, der am Boden saß und sich über ein Holzbrett in seinem Schoß beugte. Während ein junger Mann, dem Tränen über die Wangen liefen, vor ihm kauerte und leise sprach, schrieb er etwas auf ein Blatt. Neben dem schreibenden Mann lag ein kleines Baumwollquadrat mit ein paar Münzen darauf. Der junge Mann trocknete sich mit dem Ärmel seiner dschellaba das Gesicht und legte ebenfalls eine Münze auf den Stoff, woraufhin der andere Mann ihm das Blatt reichte. Ein Schreiber, dachte ich, der für den jungen Mann einen Brief zu Papier gebracht hatte.
    Auch an den Rändern des Platzes wurde die Menschenmenge immer dichter. Ich wurde geschoben und gestoßen, wobei es in den meisten Fällen an dem allgemeinen Gedränge lag, doch gelegentlich hatte ich auch das Gefühl, absichtlich angerempelt zu werden. Ich verdrängte die Stimme in meinem Kopf, die mich ermahnte, auf die Zeichen zu hören, die mir bedeuteten, hier unerwünscht zu sein, und besser kehrtzumachen.
    Doch mir blieb nichts anderes übrig, als weiterzugehen. Im Französischen Viertel war ich keinen Schritt weitergekommen. Also musste ich meine Suche in der Medina fortsetzen und irgendwie herausfinden, ob Manon hier lebte. Wie schon in der Ville Nouvelle hatte ich keinen anderen Plan, als herumzufragen, ob jemand die Duvergers kannte.
    Als ich eine arabische Stimme vernahm, die laut in eindringlichem Ton sprach, sah ich über die Köpfe der Menschen hinweg einen Mann mit wildem Blick und stoppligem Gesicht, der auf einer Kiste stand und mit den Armen gestikulierte. Er trug ein wunderschönes Gewand aus braunem und blauem Samt, das sich auffällig von den eintönigen dschellaba s der anderen Männer abhob. Um ihn herum hockten ein paar Männer auf den Fersen im Kreis herum und hörten ihm mit offenem Mund zu. Andere wiederum standen, doch auch sie waren völlig in seinen Bann gezogen. Der Mann begleitete sein Wortfeuer mit Gesten, Kopfschütteln oder heftigem Nicken. Anhand seiner feurigen Vortragsweise und der Pausen, die er immer wieder machte, wurde mir klar, dass er eine Geschichte erzählte. Wie schon zuvor der Schreiber hatte auch er ein Stofftuch vor sich liegen, auf dem einige Münzen glitzerten. Es war also ein berufsmäßiger Geschichtenerzähler.
    Etwas weiter kam ich an einem Mann vorbei, der auf dem Boden saß und sich an einem Tuch zu schaffen machte. Als ich näher kam, bemerkte ich schaudernd, dass er etliche Zähne darin eingeschlagen hatte. Sie waren von unterschiedlicher Größe, darunter verfaulte, unbeschädigte und welche mit langen, spitzen Wurzeln. Als er sah, wie ich seine Sammlung bestaunte, hielt er eine rostige Zange hoch, tippte sich damit an die Schneidezähne und öffnete und schloss sein Instrument mehrmals. Seine Zähne boten ein groteskes Bild, und ich machte, dass ich weiterkam, und beschloss, genug von dem Treiben auf dem Djemma el Fna gesehen zu haben.
    Ich bog in eine der Gassen ab, die wie die Speichen eines Rades vom Platz abgingen. Ich befand mich nun in den Souks. Suchend blickte ich nach vorn und zurück, um mir irgendwelche Orientierungspunkte einzuprägen, damit ich später wieder den Weg zum Platz zurückfand. Auch hier ein Stand nach dem anderen, dazwischen winzige Läden, vor denen jeweils ein Mann stand. Es war unschwer zu erkennen, dass die Souks vom Handel beherrscht wurden: Eine Gasse war den Stoffhändlern vorbehalten, die Silberschmiede hatten sich in einer anderen angesiedelt und wieder in einer anderen Lumpensammler oder Parfümhändler. Ich erblickte kegelförmig aufgetürmte Gewürze in den verschiedensten Schattierungen von Rot, Gelb und Orange, Grün und Braun, deren Düfte sich vermischten. Die Männer liefen hin und her und grüßten einander, und manchmal kamen sie auch zu mir und murmelten: » Madame, venez, madame.« Kommen Sie, Madame.
    Irgendwie hatte ich mir vorgestellt, ich könnte Frauen ansprechen und sie fragen, ob sie Manon Duverger kannten, doch kaum hatte ich den Fuß in die Medina gesetzt, wurde mir klar, dass das nicht möglich sein würde. Die Frauen eilten an mir vorbei; wenn sie zu zweit oder mehreren waren, sprachen sie durch ihren Schleier hindurch miteinander, während ihre dunklen Augen mir verstohlene, vorwurfsvolle Blicke zuwarfen und mir bewusst machten, dass ich ein Eindringling war.
    Ich

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