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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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an, doch ich setzte meinen Weg fort, ohne ihn zu beachten.
    Jeden, der bereit war, mit mir zu sprechen, fragte ich nach dem Weg zur Färbergasse oder Sharia Zitoun. Hin und wieder wies ein Mann in irgendeine Richtung, und ich hatte keine Ahnung, ob er überhaupt meine Frage verstanden hatte, und wenn ja, ob seine Auskunft richtig war.
    In den zum Teil gewundenen engen Gassen musste ich aufpassen, nicht in die Mitte zu geraten, wo sich von den unzähligen Passanten eine Senke gebildet hatte und ich Gefahr lief zu stolpern. Wieder bog ich um eine Ecke, und mit einem Mal gab es keine Läden mehr, ich befand mich außerhalb der Souks. Die Straße wurde von fensterlosen Gebäuden gesäumt, wie Madame Odette sie mir beschrieben hatte. Hohe Mauern mit verschlossenen Toren, hinter denen die Einwohner von Marrakesch lebten. Plötzlich wimmelte es von kleinen Kindern; sie strömten aus den kleinen, schattigen Gassen, die von der größeren Straße abzweigten, und scharten sich um mich wie am Tag zuvor die Kinder auf dem Djemma el Fna. Sie zupften an meinem Rock und schnatterten auf Arabisch auf mich ein. Die einzigen französischen Worte, die sie kannten, waren bonjour, Madame und bonbon. Doch ich schüttelte den Kopf. »Sharia Zitoun?«, sagte ich nur immer wieder, aber sie kicherten nur und liefen weiter vor oder neben mir her.
    Es schien unzählige ausgehungerte Katzen zu geben. Sie saßen auf Mauern und kamen aus schattigen Gassen und Winkeln geschlichen. Ihre Rippen zeichneten sich unter dem räudigen Fell ab, und sie hatten zerfetzte Ohren. Hin und wieder stritten sich zwei fauchend und mit gesträubtem Fell um einen armseligen Bissen, bis sich schließlich der Sieger mit seiner Beute in eine dunkle Ecke verzog.
    Während ich weiterging, wurden die Geräusche aus den Souks allmählich gedämpfter, bis sie ganz erstarben. Und unvermittelt war ich ganz allein. Kein Kind, keine Katze waren mehr zu sehen. Nach dem unaufhörlichen Lärm und dem Durcheinander aus Farben und Waren und Menschengewimmel waren die Ruhe und die etwas kühlere Luft wohltuend. Ich blieb stehen, um mich an eine Wand gelehnt auszuruhen und mir mit dem Ärmel über die Stirn zu wischen. Die kopfsteingepflasterte Gasse mit den durchgehenden Häusermauern erstreckte sich schattig und dunkel vor mir. Ich hätte nicht sagen können, wo ein Haus begann und aufhörte, nur an den Toren erkannte ich, dass es sich um verschiedene Wohneinheiten handelte. Die Gasse war so schmal, dass ich mich an die Wand hätte drücken müssen, wäre mir ein Eselskarren entgegengekommen.
    Ich sagte mir, es sei besser, wieder umzukehren – falls ich den Weg zurückfände – und mich in den geschäftigen Souks oder meinetwegen auch auf dem großen Platz mit seinem wilden, hektischen Treiben nach einer genauen Wegbeschreibung zur Sharia Zitoun zu erkundigen.
    Obwohl ich mich in dem Menschengewühl auch nicht gerade sicher gefühlt hatte, so überkam mich hier, plötzlich allein, ein Anflug von Panik. Im Labyrinth der Medina hatte ich vollkommen die Orientierung verloren. Ich rief mir Madame Odettes Worte in Erinnerung, die mich gewarnt hatte, dass man sich hier schnell verirren konnte und dass es schier unmöglich sei, allein wieder herauszufinden. Ich bemerkte, dass die Medina nicht nur ein Irrgarten aus ineinander verschlungenen Gassen war, sondern auch ein Gewirr aus kleinen Gängen, die sich als Sackgassen entpuppten.
    Ein Tor wurde geöffnet, und ein Mann trat heraus. Als er mich sah, hielt er inne und kam dann auf mich zu. Er starrte mich an wie ein unberechenbares und gefährliches Tier.
    Instinktiv senkte ich den Blick, und er ging an mir vorbei.
    Ich begab mich bis zum Ende der Gasse und blickte immer wieder nach rechts und links. Drei Frauen kamen mir ohne männliche Begleitung entgegen. »Mesdames?«, sprach ich sie an und sah, dass die Hände, die die haiks vor den Gesichtern zusammenhielten, schwarz waren. Womöglich Sklavinnen oder Dienerinnen, dachte ich, wofür auch die Tatsache sprach, dass sie nicht von einem Mann begleitet wurden. »Mesdames«, sagte ich erneut, doch sie huschten an mir vorbei, als wäre ich unsichtbar.
    Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Hin und wieder begegnete ich einer verhüllten Gestalt und fragte nach Sharia Zitoun. Einige wandten das Gesicht ab, weil sie nicht bereit waren, sich mit einer unverschleierten Ausländerin zu unterhalten, wieder andere starrten mich schweigend an. Immer tiefer geriet ich in das Straßenlabyrinth, und

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