Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
natürlich. Nochmals danke, Madame.«
» Ich habe einen Sohn, Mademoiselle. Um fünf kommt er mich abholen. Haben Sie auch einen Sohn?«, rief sie mir nach, während ich mich entfernte. Und ihre letzten fünf Worte hallten schmerzhaft in meinem Kopf wider.
ACHTZEHN
A m nächsten Morgen stand ich erneut vor der mächtigen Pforte und sah durch das geöffnete Tor in die von Sonnenlicht überflutete Medina. Einen besonders bedrohlichen Eindruck machte die Altstadt nicht auf mich. Ich warf einen letzten Blick über die Schulter auf die Straßen des Französischen Viertels, klemmte meine Handtasche noch fester unter den Arm und schritt durch die hohe Pforte hindurch, wobei ich hoffte, dass ich zielstrebig und selbstsicher wirkte und man mir meine Angst nicht ansah.
Endlich bekam ich marokkanische Frauen zu Gesicht, auch wenn wie überall im Lande nur ihre Augen über dem Gesichtsschleier zu sehen waren. Ihre Körper wurden vollständig von einem weißen Übergewand verhüllt, das, wie ich wusste, haik genannt wurde. Es handelte sich um ein weißes Baumwolltuch, das vom Kopf bis zum Boden reichte. Darunter trugen die Frauen ihre normale Kleidung, einen fließenden Kaftan. In ein paar wenigen Geschäften im Französischen Viertel hatte ich bunt gestreifte Seidenkaftane gesehen, die in der Taille von breiten Gürteln zusammengerafft wurden. Ich nahm an, dass es einige Französinnen gab, die sie aus einer Laune heraus kauften, aber vielleicht auch, um sie zu Hause anzuziehen, weil sie kühl und luftig waren.
Die meisten Marokkanerinnen in der Medina trugen große gewebte Taschen auf den Schultern, und einige von ihnen hatten ein Baby mit einem Tuch auf den Rücken gebunden. Kleine Kinder klammerten sich an das Gewand ihrer Mütter, während sie eilig neben ihnen hertrippelten, um Schritt mit ihnen zu halten. Außerdem fiel mir auf, dass jede Frau in Begleitung eines Mannes oder älteren Jungen war, die vor oder hinter ihnen gingen. Keine einzige Frau war allein unterwegs.
Augenblicklich wurde ich mir der starrenden Blicke der Männer bewusst und der Tatsache, dass die Frauen einen großen Bogen um mich machten.
Wieder rief ich mir die Warnungen von Mr Russell ins Gedächtnis, nicht allein hierherzukommen, doch er und seine Frau waren an diesem Morgen nach Essaouira abgereist. Und selbst wenn sie noch da gewesen wären, hätte ich nicht gewollt, dass er mich begleitete. Denn dann hätte ich ihm erklären müssen, dass ich eine Frau namens Manon Duverger suchte, die möglicherweise in der Altstadt wohnte.
Mir war ganz und gar nicht danach, mit jemandem über mein Anliegen zu sprechen.
Den Blick nach vorn gerichtet, schob ich mich durch das Gedränge in den engen Straßen. Ich wusste nicht, wohin ich ging, doch wenn ich erst einmal in der Medina war, so hatte ich mir gesagt, würde sich mein Weg ganz von allein ergeben.
Die Straße wurde gesäumt von Tischen, die unter Sonnensegeln aus zerfledderten Strohmatten oder Stoffbahnen standen, deren Farben vollkommen verblichen waren. Dazwischen waren einfache Teppiche auf der bloßen Erde ausgebreitet. Auf Tischen und Teppichen lag ein Angebot an allen erdenklichen Waren, darunter auch vieles, was ich nicht kannte.
Es gab Kaftane für Frauen und dschellaba s für Männer in allen möglichen Farben und aus verschiedenen Stoffen. Andere Stände boten babouches feil – die hinten offenen Lederpantoffeln, die in allen möglichen Schattierungen von Gelb, Orange und Rot gefärbt waren und über den Köpfen der Händler an den Ständen baumelten. Ich sah Teekannen aus Kamelknochen, Fese aus rotem Filz und ein breites Spektrum an Parfümen, deren Düfte von Jasmin über Moschus bis Sandelholz reichten.
Ich kam an Tabletts mit Zuckerwerk, saftigen Datteln und Feigen sowie Holzkisten mit lebenden Hühnern und Tauben vorbei. Fliegenschwärme summten um die Waren herum oder saßen darauf, stoben wieder auf und ließen sich erneut darauf nieder.
Plötzlich fand ich mich auf einem riesigen, offenen Platz wieder, dessen Ränder ebenfalls von Ständen und Buden gesäumt wurden. Er wimmelte von Menschen, und als ich sah, dass in der Mitte Händler ihre Stände aufstellten, wusste ich, dass ich den Djemma el Fna erreicht hatte. Männer entrollten Läufer, in die sie Krüge eingeschlagen hatten, und hoben mit Tüchern bedeckte Körbe aus Eselskarren heraus. Andere stapelten auf Holztabletts Orangen zu Pyramiden oder gossen aus dampfenden Töpfen Berge gekochter Schnecken in geflochtene
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