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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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durchdringende Schrei eines Esels. Aszulay und ich nahmen auf den einzigen beiden Stühlen Platz, und Badou kletterte Aszulay auf den Schoß.
    Ich hob den Deckel von der tajine, und ein aromatischer Duft stieg von der Pfanne auf. » Bitte, essen Sie, ich … ich weiß nicht, ob ich etwas herunterbekomme.«
    Während sich Aszulay und Badou bedienten, saß ich zurückgelehnt auf dem Stuhl. Das Schweigen, das entstand, während die beiden aßen, war mir unangenehm, doch sie schien es nicht zu stören.
    Der Hoteljunge kam zurück und stellte zwei weitere Gläser auf den Tisch. Wieder warf er Aszulay einen verstohlenen Blick zu, der ihm seinerseits zunickte. Der Junge senkte respektvoll den Kopf.
    Als Badou schließlich genug von dem Couscous mit Lamm und Aprikosen gegessen hatte, nahm er sich zwei beignets. Als er sie verschlungen hatte, griff er nach einem dritten, doch Aszulay legte ihm eine Hand auf den Arm. » Das reicht jetzt, Badou«, sagte er. » Du kriegst sonst Bauchschmerzen. Denk an letztes Mal, als du zu viel gegessen hast.«
    Badou nickte gehorsam, doch seine Augen waren noch immer sehnsüchtig auf die restlichen Gebäckteile gerichtet.
    » Ich muss heute nur ein paar Stunden im Garten arbeiten und werde Badou mitnehmen«, sagte Aszulay.
    Ich nickte abwesend.
    » Vielleicht haben Sie ja Lust, uns zu begleiten.«
    » Nein, danke«, sagte ich, ohne zu überlegen. Ich konnte mir nicht vorstellen, an diesem Tag in die lärmerfüllten Straßen hinauszugehen, mir einen Weg zwischen den Wagen, Eselskarren und Menschen hindurchzubahnen. Sah Aszulay denn nicht, was ich gerade mitmachte? Wie tief meine Trauer war?
    » Monsieur Majorelle hat neue Vögel angeschafft. Ich dachte, dass Sie sie vielleicht gern betrachten wollen.« Er redete mit mir, als wäre ich Badou, als ginge es darum, ein kleines Kind zu trösten, und das irritierte mich. Mir kam in den Sinn, dass er im gleichen Ton mit Manon gesprochen hatte, um sie zu beruhigen.
    » Ich sagte Nein, Aszulay. Ich habe nicht …« Tränen traten mir in die Augen, und ich wandte den Blick ab, um sie vor ihm zu verbergen.
    » Es ist schwer für Sie, ich weiß«, sagte er und stand auf. » Es tut mir leid, dass Sie so weit gereist sind, nur um diese Enttäuschung zu erleben. Komm, Badou.« Er streckte die Hand nach dem Jungen aus.
    » Etiennes Tod ist sehr viel mehr als eine Enttäuschung für mich«, sagte ich ruhig. Ich sah zu ihm hoch, und sein Ausdruck ließ mich den Atem anhalten.
    » Aber … Mademoiselle O’Shea«, sagte er. » Etienne … er ist doch nicht tot. Wie kommen Sie denn darauf?«
    Ich konnte ihn nicht länger ansehen und starrte stattdessen die tajine an, dann die Karaffe mit dem Orangensaft, die Gläser. Die Gegenstände schienen zu pulsieren, als wären sie lebendig. » Aber …« Ich legte die Hand auf den Mund, ließ sie sogleich wieder sinken und wandte den Blick wieder Aszulay zu. » Manon … sie sagte …« Ich hielt inne. » Sie sagte, Etienne ist tot. Auf dem Friedhof begraben. Sie hat gesagt, er ist tot.«
    Eine Weile sahen Aszulay und ich uns schweigend an.
    » Stimmt es also nicht?«, sagte ich leise, und als Aszulay den Kopf schüttelte, stieß ich einen leisen Schrei aus, und diesmal bedeckte ich mir den Mund mit beiden Händen.
    » Hat sie Ihnen das wirklich gesagt?«, fragte Aszulay. Seine Lippen waren noch immer geöffnet, aber er redete nicht weiter.
    » Sagen Sie mir die Wahrheit, Aszulay. Sagen Sie mir, was Etienne zugestoßen ist. Wenn er nicht tot ist, wo ist er dann?«
    Aszulay schwieg eine Weile lang. » Es geht mich nichts an. Es ist eine Sache zwischen Ihnen und Etienne, Ihnen und Manon. Zwischen Manon und Etienne. Es geht mich nichts an«, wiederholte er. » Aber dass Manon …« Er ließ den Satz unbeendet.
    Ich legte ihm meine Hand auf den Unterarm. Er fühlte sich hart und warm unter dem blauen Ärmel an. » Aber warum? Warum tut Manon mir das an, warum belügt sie mich derartig? Warum hasst sie mich so, dass sie mich auf diese entsetzliche Weise aus Marrakesch vertreiben will? Warum geht sie so weit, zu behaupten, er sei tot?« Ich bemerkte, dass ich mich wiederholte, mich im Kreis drehte. Das, was sie mir angetan hatte, war so unglaublich, so verwirrend für mich.
    Aszulay sah zu Badou, und ich folgte seinem Blick. Das Gesicht des kleinen Jungen war aufmerksam, seine Augen wirkten intelligent. Voller Leben. Aber noch etwas anderes drückten sie aus. Er hatte schon viel zu viel gesehen und gehört, das wusste ich. Nicht

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