Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
du ja eines Tages einen Hund von deiner Mutter.«
Doch Badou schüttelte wieder den Kopf. Er setzte den Hund ab und stellte sich vor mich hin. » Maman hat Nein gesagt. Sie sagt, ein Hund macht nur Ärger. Sie sagt, ich darf nie einen haben, und ich soll auch nie mehr fragen.«
Er sprach ohne die bei einem Kind zu erwartende Enttäuschung in der Stimme, sondern, wie ich schon mehrmals an ihm bemerkt hatte, mit dem stoischen Gleichmut, den sonst nur reifere Menschen an den Tag legten.
» Aber es ist doch schön, dass du mit diesem kleinen Hund spielen kannst«, sagte ich.
Der Hund tanzte um Badou herum und sprang an ihm hoch, um an seinem Ärmel zu zupfen. » Sidonie, ich mag dein dar nicht«, sagte er und achtete nicht weiter auf den Hund.
» Du magst mein Haus nicht?«, fragte ich. Ich hatte angefangen, mir einige einfache Wörter auf Arabisch einzuprägen.
» Ja. Ich mag es nicht. Es ist zu groß, und es gibt zu viele Menschen. Und sie lieben dich nicht«, fügte er ernst hinzu.
» Sie lieben mich nicht? Wer denn, Badou?« Seine Bemerkung und seine verdrießliche Miene verwirrten mich.
» Deine Familie. All die Menschen in deinem großen Haus«, erklärte er, und da verstand ich, was er meinte.
» O Badou, das ist nicht mein Haus. Es ist ein Hotel.« Sein fragender Ausdruck sagte mir, dass er das Wort Hotel nicht verstand. » Also, es ist ein großes Haus, das stimmt, aber es gehört nicht mir. Ich wohne nur für kurze Zeit dort. Und die Menschen sind nicht meine Familie.«
» Wer sind sie dann?«
Ich zuckte die Achseln. » Ich kenne sie nicht. Es sind Fremde.«
» Du lebst mit Fremden in einem Haus?« Seine Augen wurden größer. » Aber Sidonie, wie kannst du ohne deine Familie leben? Bist du nicht schrecklich einsam?«
Ich sah ihn an und überlegte mir, was ich sagen sollte. Als ich nach einer Weile immer noch nicht geantwortet hatte, fuhr er fort.
» Aber wo sind sie? Wo ist deine Mutter? Und dein Vater? Wo sind deine Kinder?« Badou hatte bereits begriffen, wie wichtig es in seinem Land war, eine große Familie zu haben. Trotz der Kälte seiner Mutter sprach er auch von Liebe.
Vielleicht hatte er die Antwort an meiner Miene abgelesen und meine Situation zumindest zum Teil intuitiv erfasst. Denn er fügte beiläufig und doch so bedeutungsvoll hinzu, wie es nur ein Kind vermochte, das bereits zu viel über die Welt weiß: » Tot?«
Ein Kind wie Badou konnte man unmöglich anlügen. Ich nickte und sagte bedächtig: » Ja. Sie sind alle tot.«
Da kam Badou zu mir und kletterte auf meinen Schoß, so wie er es bisher immer nur bei seiner Mutter und Aszulay getan hatte. Er kniete sich hin und schmiegte seine Wange an meine. Ich spürte seine heiße Haut, roch den Staub in seinem dicken Haar. Beiläufig kam mir der Gedanke, dass er ein Bad benötigte.
Ich konnte nicht sprechen, sondern legte einfach nur die Arme um seinen schmalen Rücken. Dann fuhr ich mit den Fingern über seine Rippen und spürte die kleinen Wirbel seines Rückgrats. Unter meiner Berührung entspannte er sich und ließ sich in meinen Schoß sinken, als sei es das Normalste der Welt. Der gelbe Welpe ließ sich zu meinen Füßen nieder, wo er sich seitlich auf die warmen Fliesen legte. Seine rosa Zunge schaute ein wenig hervor, und sein Auge zuckte, um die Fliegen abzuwehren. Falida fegte noch immer träge den Boden, und das Geräusch ihres weichen Handbesens bildete einen einschläfernden Rhythmus, während wir in dem gesprenkelten Licht des Innenhofs saßen, mein Kinn auf Badous Kopf ruhend, und darauf warteten, dass Manon aufstand.
Schließlich rief Manon nach Falida. Ich hörte ihre heisere und quengelige Stimme aus einem Fenster im ersten Stock. Falida stieg die Treppe hinauf, um gleich darauf wieder herunterzukommen und durch die Tür im Erdgeschoss zu gehen. Badou blieb auf meinem Schoß sitzen.
Kurz darauf hörte ich wieder Schritte auf der Treppe; ich wappnete mich innerlich, um Manon gegenüberzutreten.
Doch es war nicht Manon. Ein Mann, der sein dunkelblondes Haar notdürftig über die Stirn gekämmt und einen Bartschatten auf den Wangen hatte, wirkte ebenso erstaunt, mich zu sehen wie ich ihn. Er war gut aussehend, trug einen maßgeschneiderten, wenn auch zerknitterten cremefarbenen Leinenanzug und hielt einen breitkrempigen Hut in der Hand.
» O Madame«, sagte er und hielt einen Moment lang auf der Treppe inne. » Guten Tag.«
» Guten Tag.«
» Manon wartet auf ihren Tee. Ich glaube nicht, dass sie über Ihren
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