Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
nur von einem Laken bedeckten Körper. Ich war mir bewusst, dass eines meiner zerschürften Knie hervorschaute, kümmerte mich aber nicht weiter darum.
» Meinen Sie wirklich, Mademoiselle? Die Sicherheit unserer Gäste ist unser oberstes …«
Wieder fiel ich ihm ins Wort. » Ja. Ich bin auch ein Gast. Und ich versichere Ihnen, dass kein Grund besteht, sich Sorgen zu machen. Bitte schicken Sie die beiden herauf. Und vergessen Sie den Krug Orangensaft nicht.« Mir schien, als wäre das nicht meine Stimme, die da sprach. Es war die Stimme von jemand anderem, jemandem, der sich nicht einschüchtern ließ.
Monsieur Henri zog eine pikierte Miene. » Wie Sie wünschen, Mademoiselle«, sagte er, drehte sich grußlos um und ging mit kerzengeradem Rücken den Flur entlang.
Ich hob mein Kleid vom Boden auf und zog es an. Dann zwängte ich die nackten Füße in die Schuhe, ohne mir die Mühe zu machen, sie zuzubinden, und hatte auch nicht die Energie, die Haare zu kämmen.
Kurz darauf klopfte es erneut an die Tür. Ich öffnete, und davor standen Aszulay und Badou. Wie Monsieur Henri gesagt hatte, trug Aszulay eine tajine, während Badou einen starken grünen Zweig in der Hand hielt, an dem mindestens ein halbes Dutzend beignets baumelten, das süße frittierte Hefegebäck, das man in Marokko überall sah.
» Aszulay, Badou«, sagte ich. » Was … was führt Sie zu mir?«
Aszulay musterte mich, während er die tajine in einer Hand balancierte. Ich machte mir keine Illusionen über mein Aussehen, die verquollenen Augen, die zerzausten Haare. Ich strich eine Haarsträhne zurück, die mir an der verschwitzten Wange klebte.
» Wir haben dir beignets gebracht, Sidonie«, sagte Badou. Mir entging nicht, dass er zum vertrauten Du übergegangen war. » Aber was ist mit deinen Augen passiert? Sie …« Aszulay legte dem Jungen seine freie Hand auf den Kopf, und der Junge verstummte.
»Ich dachte, dass Sie vielleicht …« Aszulay beendete den begonnenen Satz ebenfalls nicht. Stattdessen sagte er: »Badou hat mir gestern erzählt, dass er gehört hat, wie Sie am Tag davor aufgeschrien hätten und dann hingefallen seien. Als er zu Ihnen rannte, hätten Sie ihn nur angestarrt, ohne etwas zu sagen. Dann standen Sie auf und … Er sagte, Sie hätten kaum gehen können und seien wieder gestürzt. Aber schließlich hätten Sie den Innenhof verlassen. Da war mir klar, dass Manon Sie aufgebracht haben muss. Es tut mir leid, ihre Worte müssen Sie zutiefst bestürzt haben. Die Sache mit Etienne. Wie ich bereits sagte, spricht oder verhält sich Manon nicht immer, wie es angebracht wäre.«
Schweigen trat ein. Ich hatte aufgeschrien und war hingefallen? Das war also der Grund für meine aufgeschürften Knie. Schließlich fiel mein Blick auf die tajine, und ich sagte: » Vielen Dank. Aber … ich fürchte, es ist besser, wenn ich allein bin. Doch wie gesagt, vielen Dank, Aszulay, und dir auch, Badou.«
Aszulay nickte. Seine Hand lag noch immer auf Badous Kopf. Er nahm sie weg, um die tajine mit beiden Händen auf den Boden des Zimmers zu stellen. Ein köstlicher Duft nach Lamm und Aprikosen stieg von der Keramikpfanne auf. Auch Rosmarin konnte ich ausmachen. » Komm, Badou, gib Mademoiselle O’Shea die beignets, dann werden wir sie allein lassen.«
Ich nahm den Zweig mit den frittierten Gebäckringen, den Badou mir schweigend reichte. Die zögerliche Art, mit der er sie mir übergab, sagte mir, dass Badou eigentlich erwartet hatte, wir würden das Mahl teilen. Auch wenn ich erst seit kurzem in Marokko war, hatte ich begriffen, wie wichtig Gastfreundschaft für die Menschen war und wie unhöflich ich erscheinen musste – selbst in Anbetracht meines Zustandes –, vor allem in den Augen eines Kindes.
» Nein, warten Sie«, sagte ich, während sich die beiden wieder zum Gehen wandten. » Es tut mir leid, aber ich war einfach so durcheinander. Bitte, kommen Sie herein, und essen Sie mit mir.« Im selben Moment erschien ein Hoteljunge hinter ihnen mit einer Karaffe Orangensaft auf einem Silbertablett. Sein neugieriger Blick blieb einen Moment zu lange an Aszulay haften.
» Bitte stellen Sie den Saft auf den Tisch und bringen Sie zwei weitere Gläser für meine Gäste«, sagte ich.
Er nickte, tat wie ihm geheißen und ging wieder.
» Bitte«, sagte ich zu Aszulay und Badou, » setzen Sie sich.« Ich hob die tajine vom Boden hoch und stellte sie neben die Karaffe auf den Tisch. Durch das offene Fenster drang der entfernte, aber
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