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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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ausgemalt hatten. Stattdessen machte Margaret eine Lehrerausbildung, wie ich gehört hatte, und Alice Ann war Verkäuferin in einem eleganten Hutladen. Einige der anderen Mädchen ließen sich zu Krankenschwestern oder Stenotypistinnen ausbilden, und wieder andere hatten bereits geheiratet. Der große Krieg war vorüber, und einige der jungen Männer kehrten nach Albany zurück. Andere wiederum nicht.
    Zwar bereitete mir das Malen inzwischen großes Vergnügen, und ich verbrachte täglich mehrere Stunden damit, Pflanzen zu zeichnen oder zu malen, doch hatte ich mein letztes Schuljahr noch immer nicht abgeschlossen, obwohl mir die Lehrerinnen angeboten hatten, mit den Prüfungsaufgaben zu mir nach Hause zu kommen, um das Examen unter ihrer Aufsicht abzulegen. Ich hatte ganz einfach das Interesse an der Schule verloren. Außerdem, so sagte ich mir, was änderte ein Schulabschluss schon an meinem Leben? Ich würde nie in die Welt hinausgehen, ja nicht einmal auf die Straßen Albanys.
    Mein Vater war schockiert gewesen, als ich ihm eröffnete, dass ich nicht die Absicht hegte, mein Highschool-Diplom zu erwerben.
    » Ich bin nicht in dieses Land gekommen , damit mein einziges Kind die Schulbildung ausschlägt, die man ihm ermöglicht. Was hätte ich nicht dafür gegeben, die Chance zu erhalten, die sich dir bietet … willst du denn nicht etwas werden, Sidonie? Du könntest einen Schreibmaschinenkurs machen und in einem Büro arbeiten. Oder als Telefonistin. Oder, Herrgott, als Näherin in einer Kleiderfabrik. Du bist ja bereits so geschickt an der Nähmaschine. Es gibt einige Berufe, bei denen du nicht viel gehen oder stehen müsstest. Du würdest deine Mutter so stolz machen, wenn du einen Beruf erlerntest. Nicht wahr, Mutter? Wärst du nicht stolz auf sie?«
    Ich warf meiner Mutter einen verstohlenen Blick zu. Sie antwortete nicht, sondern lächelte mir nur aufmunternd zu, die knotigen Hände im Schoß umschlungen.
    » Sie könnte alles Mögliche werden«, sagte sie schließlich.
    Ich presste die Lippen fest aufeinander. Natürlich konnte ich nicht alles Mögliche werden. Ich war kein Kind mehr, und ich war ein Krüppel. Dachte sie, dass ich ihr noch immer glaubte? Ich öffnete den Mund, um ihr zu widersprechen, doch mein Vater ergriff erneut das Wort.
    » Du müsstest ja nur arbeiten, bis du heiratest«, sagte er.
    Ich runzelte die Stirn und sah ihn ungläubig an. Heiraten? Wer würde mich denn heiraten, mit meinen schweren schwarzen Stiefeln mit den ungleich hohen Absätzen und meinem schwerfälligen, humpelnden Gang? »Nein. Ich will weder in einer Nähfabrik noch als Sekretärin oder Telefonistin arbeiten.«
    » Was willst du denn dann? Hast du denn keine Träume? Junge Menschen sollten Träume haben. › Kobolde, Schlösser, Glück und Segen; Wiegenlieder, Träume und ein langes Leben‹«, sagte er – einer der irischen Segenswünsche, die er so gern zitierte. Immer wieder musste er seine Redensarten anbringen, diese nutzlosen irischen Sprüche.
    Aber ich sagte nichts, sondern hob Zinnober hoch und schmiegte das Gesicht an ihr kupferfarbenes Fell.
    Ob ich keinen Traum hatte? – was für eine Frage.
    » Nun komm mir nicht wieder mit einer Entschuldigung, Sidonie«, sagte er, und ich hob den Kopf und starrte ihn an. » Auch wenn es nicht wie früher ist, so kannst du jetzt wenigstens herumgehen. Es gibt keinen Grund mehr, dich nur bis in den Garten vorzuwagen. Ich weiß, dass Alice Ann heute Abend eine Party gibt. Auf dem Nachhauseweg habe ich die vielen jungen, gut gelaunten Leute bei ihnen auf der Veranda gesehen. Es ist nicht zu spät. Du könntest immer noch hingehen, Sidonie. Ich kann dich hinüberbegleiten. Es ist nicht gut, wenn du die ganze Zeit zu Hause herumsitzt und immerzu liest oder malst.«
    Natürlich war ich nicht zu Alice Anns Party eingeladen; seit beinahe zwei Jahren hatte ich nicht mehr mit ihr gesprochen, seit dem letzten ihrer Besuche, die mir in so unangenehmer Erinnerung waren. Doch selbst wenn ich eingeladen gewesen wäre, so hätte ich mich furchtbar geschämt mit meinem Hinken, der Art, wie ich bei jedem Schritt ruckartig die Beine nachziehen musste. Und meine Beinschienen kündigten mit lautem Klirren mein Kommen an. Die Krücken stießen manchmal an ein Möbelstück oder gerieten auf glattem Boden ins Rutschen. Außerdem hatte ich das Gefühl, vollkommen den Kontakt zur Außenwelt verloren zu haben; ich wusste nicht mehr, wie man eine Unterhaltung führte. Unmöglich konnte ich mir

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