Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
geradezu ins Auge: Aszulays Leben hier in Marrakesch und das Leben, das er heute im Ourika-Tal führen würde, wäre er dort geblieben.
Badou löste seine Hand aus meiner und hüpfte im Innenhof umher. Als ich haik und Gesichtsschleier ablegte, kehrte Aszulay mit einer großen Zinnwanne aus dem Haus zurück, wie sie auch die alte Dienerin in der Sharia Soura zum Wäschewaschen im Innenhof benutzte. Er füllte sie mit Wasser aus einer Zisterne, die sich in einer Ecke befand, und sagte etwas auf Arabisch zu Badou. Plötzlich unterbrach er sich. » Entschuldige, aber immer wenn ich im bled war, geht mir Französisch nicht mehr so leicht von der Zunge.«
» Das ist schon in Ordnung, inzwischen verstehe ich ja etwas Arabisch. Du hast zu Badou gesagt, dass er wie ein kleiner Welpe riecht und dringend ein Bad benötigt. Mena bringt mir Arabisch bei, weißt du.«
Aszulay beugte sich über die Wanne und wusch sich mit einem großen Stück Seife Gesicht, Hals und Hände. Er benässte sich auch das Haar und kämmte es mit den Fingern nach hinten. Dann krempelte er die Ärmel bis zu den Ellbogen hoch und wusch sich die Arme. Schließlich goss er das Wasser aus der Wanne in eine Vertiefung neben der Zisterne und füllte sie erneut mit Wasser.
» Komm, Badou«, sagte er und zog den Jungen vollständig aus, ehe er ihn in die Wanne hob. Er bespritzte ihn mit Wasser, und Badou lachte übermütig.
» Das Wasser ist von der Sonne gewärmt«, erklärte Aszulay, der den Kleinen mit einem Waschlappen und Seife abschrubbte. » Schließ die Augen, Badou.« Dann schäumte er seine Haare ein und spülte sie aus.
Ich ließ den Blick durch den sonnengesprenkelten Innenhof wandern, über die prächtigen Fliesen, und verspürte plötzlich das Bedürfnis, sie zu spüren. Ich band die Schnürsenkel auf und schlüpfte aus den Schuhen. Dann streifte ich die Strümpfe von den Füßen. Wie ich es mir vorgestellt hatte, waren die Fliesen warm und glatt. Und da die Dienerin sie kurz zuvor gewischt hatte, waren sie makellos sauber. Langsam ging ich durch den Innenhof, und mir war durchaus bewusst, dass ich ohne die Schuhe stark hinkte, aber mit einem Mal war es mir gleich. Ich genoss das Gefühl meiner nackten Füße auf den Fliesen. Seit der Zeit vor meiner Polioerkrankung war ich draußen nicht mehr barfuß gegangen; davor hatte ich es geliebt, im Sommer mit nackten Füßen durch den Garten zu hüpfen.
Aszulay und Badou schenkten mir keine Beachtung, waren sie doch beide mit dem Bad beschäftigt. Unvermittelt traf mein Blick auf den Spiegel, der mich von Kopf bis Fuß zeigte. Sonne und Wind hatten in den vergangenen beiden Tagen meine Haut noch dunkler werden lassen. Meine Haare, die Aszulays Schwester kurz vor unserer Abfahrt noch gekämmt und zu einem Zopf geflochten hatte, waren vom Sturm und dem Nächtigen im Lastwagen zerzaust und hingen mir lose über die Schultern. Meine Augen, deren Kohlumrandung inzwischen verwischt war, wirkten viel größer als sonst. Der bestickte Schal, den Aszulays Mutter mir geschenkt hatte, war locker über den Kaftan drapiert. Ich sah mich ungläubig an, ließ den Blick von den Haaren bis zu den Füßen gleiten und verstand mit einem Mal, warum Badou mich mit seiner Mutter verglichen hatte. Meine Ähnlichkeit mit ihr war mit einem Mal verblüffend. Wir hatten beide das gleiche ovale Gesicht, die gleichen großen, dunklen Augen, das gleiche lockige Haar. Nie zuvor war es mir aufgefallen.
» Was für prachtvolle Fliesen.« Ich riss mich von meinem Spiegelbild los und sah zu Aszulay hinüber. Die Bodenfliesen in Manons Innenhof wie auch in dem meiner Gastfamilie waren weitaus nüchterner: hübsch zwar, aber nicht so kunstvoll, die Farben gedämpfter.
» Es gibt eine Vielfalt von traditionellen zellij – Fliesen«, sagte er, während er von Badou zu mir sah. Sein Blick streifte meine nackten Füße, und obwohl er allenfalls eine Sekunde lang bei ihnen verweilte, war mir, als hätte ich meine Brüste vor Aszulay entblößt. Er hatte nur meine Füße angesehen, und doch verspürte ich eine merkwürdige Erotik, sodass ich kurz den Atem anhielt.
Stets hatte ich vermieden, dass Etienne sie zu Gesicht bekam. Unser Liebesverhältnis hatte nur vom Herbst bis in den Winter gedauert, und während dieser Zeit hatte ich immer Strümpfe getragen. Wenn wir zusammen im Bett waren, verbarg ich die Füße immer unter der Decke und streifte mir die Strümpfe über, ehe ich aus dem Bett stieg.
Ich dachte daran, wie Aszulay Badous
Weitere Kostenlose Bücher