Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
siegesgewisse Lächeln auf den Lippen. » Doch als ich es zum dritten Mal sagte, zog er sich aus mir zurück, als stünde mein Körper in Flammen, als drohte ich, ihn zu verbrennen. Etienne, wie er leibt und lebt, forderte einen Beweis von mir. Und da zeigte ich ihm die Briefe unseres Vaters an meine Mutter.«
Übelkeit stieg in mir auf, während ich mir die Szene vorstellte. Ich sah ihr Gesicht vor mir, das widerspiegelte, wie sehr sie jeden Moment genoss, und ich sah Etienne. Seinen Schock, sein Entsetzen. Etienne, der immer die Kontrolle haben musste, der immer eine Antwort auf alles, immer die richtigen Worte zur richtigen Zeit parat hatte.
» Ihm wurde schlecht. Er bekam einen Wutanfall und weinte. Und dann verschwand er. Deswegen ist er nach Amerika gegangen. Weil er es in Marrakesch nicht mehr aushielt. Er hielt es nicht einmal mehr auf derselben Seite des Ozeans aus, wo er mich in der Nähe wusste und ständig die Versuchung lockte, mich wieder zu besitzen.«
» Manon«, sagte ich flüsternd und schüttelte den Kopf. » Manon.« Etwas anderes fiel mir nicht ein.
» Es war für mich nicht schwer, seinen Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Schließlich habe ich zahlreiche Freunde in der französischen Gemeinde, einflussreiche Gentlemen. Als ich bemerkte, dass Etienne mich geschwängert hatte – ein Unfall wie bei dir, hm? –, zog ich in Erwägung, es wegmachen zu lassen. Das wäre einfach gewesen, schließlich kenne ich mich mit diesen Dingen aus, nicht wahr? Es wäre nicht das erste Mal gewesen.« Sie starrte mir in die Augen. » Doch eine Stimme in mir sagte, es sei besser, das Kind zu behalten – als eine zusätzliche Lebensversicherung. Während der letzten Jahre schrieb ich Etienne regelmäßig, erzählte ihm, dass ich Mutter geworden sei, und berichtete ihm von unserem Kind. Aber ich machte ihm keine Schuldzuweisungen. Nie kam eine Antwort. Doch letztes Jahr brauchte ich mehr Geld, Sidonie. Also schrieb ich ihm, dass es mir leidtue, ihn benutzt zu haben, dass ich mich geändert hätte und es bereute. Und dass es noch ein dunkles Geheimnis gebe, etwas, was ich ihm nur unter vier Augen sagen könne. Natürlich misstraute er mir, doch weil ich ihn so drängte – und weil er dich loswerden wollte –, kehrte er schließlich nach Marokko zurück.« Sie senkte das Kinn und sah mich beinahe kokett an.
» Hast du dich nie gefragt, warum Etienne – ein Mann von Welt und so klug – sich mit einer Frau wie dir abgab, Sidonie?«
Ich blinzelte. » Wovon redest du da?«
Sie blickte mich jetzt voller Missachtung an. » Du Idiotin. Siehst du es wirklich nicht? Etienne hat nie aufgehört, von mir zu träumen, mich zu begehren. Er liebt mich, nicht dich. Schaust du nicht in den Spiegel und siehst, was ich sehe? Erkennst du nicht, dass Etienne in dir etwas sah, was ihn an mich erinnerte? An die einzige Frau, die er liebte? Auch die Tatsache, dass du gemalt hast, nun …« Sie zuckte die Schultern. » Weil er das kostbare Original nicht haben konnte, hat er sich mit einer faden Kopie begnügt. Mehr warst du für ihn nicht. Ein schwaches Abbild der Frau, die er wirklich liebte, aber nicht haben konnte. Er hat sich dir nur zugewendet, weil du ihn ein bisschen an mich erinnertest. Und weil er wusste, dass es für ihn ein Leichtes war, dich zu besitzen. Mich konnte er nie ganz besitzen, aber dich – begreifst du das nicht? Jedes Mal, wenn er dich in den Armen hielt, wenn er mit dir schlief, Sidonie, träumte er von mir. Er schloss die Augen und sah mich. Du hast ihm nie etwas bedeutet. Gar nichts.«
Ich stand auf, stieß an das Messingtablett, das mit einem metallischen Klirren zu Boden fiel. In dem verebbenden Nachhall hörte ich Manons Worte wieder und wieder, und sie verschmolzen ineinander wie die Bilder in einem Spiegel, vor den man noch einen Spiegel hält.
Gar nichts.
ACHTUNDDREISSIG
I ch saß auf dem Bett und sah mich in dem Spiegel, der gegenüber an der Wand lehnte. Ich war erschöpft. Nach all den Monaten des Wartens und Bangens war alles mit einem Schlag vorbei.
Das, was Manon mir erzählt hatte, war durchaus denkbar. Hätte ich Etienne nicht zusammen mit ihr gesehen, nicht erlebt, dass er unfähig war, sie in ihre Schranken zu weisen, hätte ich ihr womöglich nicht geglaubt. Doch ich hatte es mit eigenen Augen gesehen.
Der Ruf der Muezzins zum Nachmittagsgebet erscholl, und ich blickte zum Fenster, während ich nachdenklich die zellij vom Tisch neben meinem Bett nahm. Ich dachte an Aszulay und
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