Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
nach Amerika ging, das stimmt. Doch zur selben Zeit hatte sie auch ein Verhältnis mit zwei weiteren Männern: einem Juden aus Fez und einem Spanier aus Tanger. Badou wurde zehn Monate nach Etiennes Abreise geboren. Also ist entweder der Jude oder der Spanier Badous Vater.«
Von der hohen Mauer hinter Aszulay ertönte das sanfte Gurren einer Taube.
» Aber …«
Wieder schüttelte Aszulay ungläubig den Kopf. » Sidonie. Manon erfindet alles Mögliche, wenn es ihrer Absicht dient. Sie hat dir bereits andere Lügen aufgetischt, und du glaubst ihr noch immer.«
» Ihrer Absicht?«
» Sie will dich verletzen. Von dem Tag an, da ich dich zum ersten Mal sah und mitbekam, wie sie dich behandelte, wusste ich, was sie im Schilde führt. Von Anfang an war sie eifersüchtig auf dich, zunächst wegen Etienne, aber dann zusehends aus einem anderen Grund, nämlich als sie sah, dass du nicht nur Badous Aufmerksamkeit auf dich zogst, sondern auch …« Wieder ließ er den Satz unvollendet.
» Wegen Etienne?«, fragte ich. » Was meinst du damit?«
» Sie ist eifersüchtig, weil ihr Bruder dich vielleicht geliebt hat. Auch wenn sie nicht länger an ihm interessiert war, nachdem sie ihr Ziel erreicht hatte, konnte sie den Gedanken, dass er eine andere liebt, nicht ertragen. Sie wollte seine grenzenlose Liebe.« Er lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. » So ist Manon nun mal. Das dürfte dir ja nicht entgangen sein.«
Ich betrachtete seine Lippen, während er sprach.
» Sie kann es nicht ertragen, an zweiter Stelle zu stehen – sie sagt, man habe ihr dieses Gefühl ihre ganze Kindheit lang eingebläut. Sie will – muss – die wichtigste Frau eines jeden Mannes sein, mit dem sie sich einlässt. Eine Rivalin duldet sie nicht, auch nicht wenn es um ihren Sohn geht.« Er hielt einen Moment lang inne. » Sie möchte niemanden mit dir teilen. Niemanden. Den Beleg dafür hast du doch.« Er beugte sich vor und nahm meine Hand, drehte sie mit der Innenseite nach oben und strich mit dem Daumen über die winzige Narbe in meinem Handballen. » Das, was sie dir angetan hat, als sie hörte, dass ich mit dir aufs Land fahren wollte. Deswegen hat sie dich verletzt.«
Ich war in Gedanken noch immer bei dem, was Aszulay davor gesagt hatte: dass Manon Angst hatte, Etienne habe mich geliebt.
» Er war so schwach«, sagte ich und bemühte mich, meine Stimme nicht voller Hass klingen zu lassen. » Und wenn er mich tatsächlich geliebt hätte, wie sie befürchtete, hätte er mich nicht auf diese Weise verlassen.«
Die rötliche Katze schlich in den Innenhof, blieb stehen und starrte mit zuckendem Schwanz gebannt auf einen Busch.
» Sie hat Etienne weisgemacht, Badou sei sein Sohn, um mehr Geld aus ihm herauszupressen«, sagte ich.
Aszulay nickte. » Damit könntest du recht haben. Sie wollte, dass er noch besser für sie sorgte – in Badous Namen natürlich. Aber ursprünglich, so glaube ich, hatte sie nur vor, an Etiennes Gewissen zu rühren, ihn als Badous Onkel um Geld zu bitten.«
Ich dachte daran, wie sie gesagt hatte, dass sie das Kind nicht abgetrieben habe, weil es für sie eine Art Lebensversicherung sei.
» Doch als er dann von dir, der Frau erzählte, die er in Amerika zurückgelassen hatte und die ein Kind von ihm erwartete, ist sie in heftigen Zorn geraten – ich war dabei. Er sagte, er wisse nicht, was er tun solle, und dass er nicht damit umgehen könne. Erst da erzählte sie ihm, dass Badou sein Kind sei. Und wie du hat auch er ihr geglaubt. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, dass sie ihn derart anlügen könnte. Er wusste ja nicht, dass sie neben ihm gleichzeitig noch andere Männer gehabt hatte; auch kannte er Badous Geburtstag nicht. Für ihn stimmten die Umstände und der Zeitrahmen überein, also stellte er keine weiteren Fragen. Doch ich wusste sofort, was sie im Schilde führte.«
Seine Stimme wurde lauter, der Ton entrüsteter.
» Sie wollte nicht die Zweite sein. Nach dir, Sidonie. Und als sie hörte, dass du mit Etiennes Kind schwanger warst, wurde ihre Eifersucht so übermächtig, dass sie dich unbedingt ausstechen wollte – nein, musste. Ich bin mir sicher, dass das Wissen um deine Schwangerschaft der Auslöser war. Und später konnte sie es nicht ertragen, dass ich mich um dich kümmerte.«
» Also hat sie wegen ihrer Eifersucht, ihrer Unsicherheit eine derart ungeheuerliche Lüge in die Welt gesetzt?«
»Als sie Etienne anlog, war ich so wütend auf sie. Ich wollte sie auffordern, ihm die Wahrheit
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