Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
rief mir seine Berührung in Erinnerung, als er meine Füße wusch.
Mehrmals hatte er mir geraten, nicht auf Etienne zu warten. Und nachdem wir zusammen in seinem Dorf gewesen waren, hatte er mir gesagt, er habe mich nicht allein zu Etienne und Manon gehen lassen wollen, weil er befürchtete, das, was ich dort erfuhr, würde mich schockieren, am Boden zerstören.
O ja, schockiert war ich. Aber nicht am Boden zerstört. Als ich Etienne erblickte, meinte ich, einen Fremden vor mir zu haben. Wie schon einige Monate zuvor in meinem Schlafzimmer in Albany, nachdem ich ihm gestanden hatte, ein Kind zu erwarten. Aber hatte er sich tatsächlich geändert, oder war ich diejenige, die sich geändert hatte?
Ich war nicht mehr die Frau aus der Juniper Road.
Ich war nach Marrakesch gekommen, um Etienne zu finden. Und nun hatte ich ihn gefunden. Ich hatte erfahren, warum er mich verlassen hatte. Es war einfach: Er hatte mich nie geliebt.
Es gab vieles, was ich nicht über Etienne gewusst hatte. Tatsächlich hatte ich ihn nie wirklich gekannt. Er hatte immer nur von sich preisgegeben, was ihm passte. Für eine Weile hatten wir eine Beziehung unterhalten, ja, doch das, was ich für Liebe hielt, war ein Fantasiegebilde von mir gewesen. Eine flüchtige Affäre, eine uralte Geschichte, die jede Frau von außen als solche erkannt hätte. Doch wenn man sich innerhalb der Geschichte befand, war es schwer, all die damit verbundenen Flausen und Grillen und Hoffnungen zu durchschauen. Und nun war sie aus und vorbei. Die Geschichte war zu Ende.
Erneut war ich allein. Doch es war anders als in der Zeit, bevor ich Etienne begegnet war, bevor ich zum ersten Mal mit einem Mann zusammen gewesen war und bevor ich von meiner Schwangerschaft erfahren hatte.
Ich ging zu dem Tisch, auf dem mein zuletzt begonnenes Ölbild, das mit dem Jacarandabaum im Innenhof der Sharia Zitoun, gegen die Wand lehnte. Ich dachte daran, wie Badou voller Stolz und Ehrfurcht die Schachtel mit den Ölfarben geöffnet hatte, und presste die Faust an die Brust.
Badou. Trug auch er, Etiennes Kind, dieses monströse Gen in seinem kleinen perfekten Körper? Ich rief mir seine Wärme in Erinnerung, als ich ihn gehalten hatte. Ich dachte an meine schier unerträgliche Sorge um ihn, als er inmitten des Sandsturms mit einem Mal verschwunden war. An die Erleichterung und Freude, als Aszulay ihn wieder zurückbrachte.
An die Nacht im Lastwagen mit Aszulay und daran, was ich gefühlt hatte.
Wieder erinnerte ich mich an die Worte Mohammeds mit seinem Äffchen, der mir geweissagt hatte, ich würde unter dem Kreuz des Südens finden, wonach ich suchte. Mohammed hatte recht gehabt. Ich hatte etwas gefunden.
Doch behalten konnte ich es nicht. Aszulay war ein Blauer Mann, ein Nomade aus der Sahara. Badou war das Kind einer anderen Frau. Ich hatte mich in dieses Land verliebt, in seine Farben, Laute, Gerüche und Geschmäcke. Die Menschen. In einen großen Mann und einen kleinen Jungen.
Ich dachte an meine wachsende Freundschaft mit Mena. Meinen Beschützerinstinkt gegenüber Falida. An Badous Hand in meiner.
Und wieder an Aszulay.
Bestimmt war es das Beste, nach Albany zurückzukehren und meine Erinnerungen in Bildern einzufangen. Doch selbst dort, im kalten Winter, würde ich Marokko nicht mit dem distanzierten Auge einer Touristin malen, einer bloßen Betrachterin. Ich war keine Außenstehende mehr, sondern nahm an diesem Leben teil.
Aber es ist nicht deine Welt, sagte ich mir immer wieder.
C’est tout. Das ist alles. Die Geschichte ist vorbei.
Ich konnte nichts essen. Mena fragte, ob ich krank sei.
» Nein. Aber ich bin traurig. Ich werde bald nach Hause zurückkehren«, sagte ich auf Arabisch.
» Warum? Gefällt es dir nicht in der Sharia Soura? Ist Nawar böse zu dir?«
Ich schüttelte den Kopf und zuckte die Schultern. Es war zu kompliziert, als dass mein bruchstückhaftes Arabisch ausgereicht hätte, es zu erklären.
Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, und ein seltsamer Schatten huschte über ihre Züge. » Ist es wegen meinem Mann? Hat er dir etwas angetan?«
» Nein. Nein, überhaupt nicht.«
Ihre Züge entspannten sich wieder.
» Aber was ist mit Aszulay?«, fragte sie. » Ich glaube, er ist ein guter Mann.«
» Ja, da hast du recht.«
» Nicht alle Männer sind gut.« In einer unbewussten Geste fasste sie sich an den Nacken, und ich musste an ihre Narbe denken. Und daran, wie Manon Etienne geküsst hatte.
Ich lag noch immer in meinem
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