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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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Allmählich scharten sie sich um den Wagen und starrten mich schweigend an, wobei sie ganz unverhohlen mein Gesicht musterten. Ich rief mir all die Jungen in Erinnerung, die sich in Albany um den Silver Ghost versammelt und neugierig das Automobil bewundert hatten. Vielleicht, so überlegte ich, waren kleine Jungen überall auf der Welt gleich und bestaunten neugierig die Dinge, die sie noch nie zuvor gesehen hatten, verbunden mit den gleichen winzigen Mutproben.
    Vielleicht war ich die erste weiße Frau, die diese Jungen je gesehen hatten.
    Ich lächelte ihnen zu, doch sie starrten mich weiterhin neugierig an. Schließlich machte einer der älteren Buben einen Schritt auf den Wagen zu, streckte unerwartet die Hand aus und berührte mich mit dem Zeigefinger an der Schulter. Ehe ich reagieren konnte, schoss er blitzschnell zurück, als hätte er sich verbrannt, und grinste stolz die anderen an. Diese schauten ihn mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Verblüffung an und wichen ebenfalls einen Schritt zurück. Sah ich in ihren Augen so merkwürdig aus? Ich streckte die Hand mit dem Handballen nach oben aus dem Seitenfenster, um sie zu ermuntern, näher zu kommen, ihnen zu zeigen, dass sie keine Angst vor mir haben mussten, doch plötzlich ertönte ein Ruf, und die Jungen zerstreuten sich erschrocken in einer Staubwolke.
    Mustapha und Aziz kamen zum Auto zurück. » Die Jungen waren böse?«, fragte Aziz und blickte der kleinen Schar nach, die durch das Tor huschte.
    Ich schüttelte den Kopf. » Nein, sie waren nicht böse«, sagte ich, » es sind einfach nur Jungen«, und mir wurde bewusst, dass es genau so war. Ich wünschte, ich hätte ihre Mütter und Schwestern sehen können. Ihre Väter. Ich hätte sie gern innerhalb ihrer Mauern erlebt.
    Aziz reichte mir einen köstlich duftenden kleinen Brotfladen und ein Stück Wachspapier mit weißem Käse, Feigen und einer Handvoll Cashewnüssen. Ich war hungrig, und als ich alles aufgegessen hatte, leckte ich mir die klebrigen Finger ab. Nur einen Teil der Cashewnüsse hatte ich noch aufgespart; sie lagen im Wachspapier in meinem Schoß, und während wir weiterfuhren, naschte ich gelegentlich davon.
    Ich musste essen, um Kraft für die Reise zu sammeln und einen klaren Kopf zu behalten. Ich musste bereit für Marrakesch sein, bereit, um Etienne zu finden.
    Die Straße führte jetzt weiter ins Landesinnere hinein, sodass ich nicht mehr das Meer sehen und riechen konnte. Hie und da stand eine Gruppe ausgewachsener Bäume, die ich nicht kannte, und als ich Mustapha nach ihrem Namen fragte, deutete er auf die Cashewnüsse in meinem Schoß.
    Von dem vielen Sitzen und der holprigen Straße, die einen ordentlich durchschüttelte, schmerzte mein Rücken. Ich versuchte, meine Gedanken an den bevorstehenden Abend zu verdrängen: Wo würden wir anhalten? Wo würde ich schlafen? Ich war voller Staub – würde ich ein Bad nehmen können? Wenn ich mit meinem unbedeckten Gesicht nicht einmal hatte dieses Städtchen namens Larache betreten dürfen, wie sollte ich dann an einem anderen Ort willkommen sein?
    Wieder rief ich mir die weit aufgerissenen Augen der Jungen ins Gedächtnis, die mich durch das offene Wagenfenster angestarrt hatten, und verspürte einen Anflug von Einsamkeit. Das Gefühl, eine Fremde zu sein.
    In Tanger war es anders gewesen; die Stadt hieß die Reisenden aus Übersee willkommen und wurde von Menschen aus aller Herren Ländern bevölkert: Afrikanern, Spaniern, Franzosen, Deutschen, Briten, Amerikanern und vielen anderen mehr, die mir unbekannte Sprachen sprachen und fremdländische Kleidung trugen, die ich nicht einzuordnen vermochte. Elizabeth Pandy hatte etwas abfällig von Mischlingen gesprochen, Menschen, in denen das Blut unterschiedlicher Völker floss.
    Doch ich war nicht länger in Tanger, und mir war ziemlich schnell klar geworden, dass ich im Inneren Marokkos nicht nur eine Frau aus der westlichen Welt sein würde. Hier war ich eine anormale Erscheinung, eine Außenseiterin, deren Verhalten verletzend oder gar abstoßend wirken konnte.
    Wie würde man mich in Marrakesch behandeln? Während wir auf der staubigen Straße weiterfuhren, wurde mir bewusst, dass meine schlecht geplante und überstürzte Abreise von einem einzigen Ziel angetrieben worden war: Etienne zu finden, für etwas anderes hatte ich einfach keinen Blick gehabt.
    Ich sehnte mich so sehr nach ihm. Ich wollte mich endlich wieder sicher fühlen. Ich wollte spüren, dass ich zu jemandem gehörte,

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