Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
O’Shea. Guter Erfolg. Und mit der Zeit wird die Narbe noch besser heilen. In einem Jahr wird sie kaum mehr zu sehen sein, sie wird … verblassen. Außerdem Sie können sie bedecken mit …« – er zögerte – » mit Puder oder was die Frauen auf ihre Gesicht tun. Schauen Sie.«
Er reichte mir den Handspiegel.
» Ich danke Ihnen vielmals«, sagte ich und betrachtete flüchtig mein Gesicht, ehe ich ihm den Spiegel zurückgab. » Für die Operation. Und für … dafür, dass Sie mir dazu geraten haben. Sie hatten recht.«
» Ich bin froh, dass Sie es auch so sehen.« Er stand auf, und ich tat es ihm gleich, sodass wir einander gegenüberstanden. Er sah mich eindringlich an, nicht nur meine Wange, sondern schien mich ganz in Augenschein zu nehmen. Es war nur ein kurzer, aber unbehaglicher Moment, und ich spürte, wie sich mein Magen zusammenzog. Doch diesmal war die Reaktion meines Körpers nicht verbunden mit dem Gefühl der Übelkeit, das mich sonst immer überkam, wenn ich das Krankenhaus betrat. Diesmal fühlte es sich anders an.
» Gut«, sagte ich, um das Schweigen zu unterbrechen, das unangenehm, aber irgendwie auch spannungsgeladen war, und im selben Moment sagte Dr. Duverger: » Très bien«, wie als Echo meiner Worte.
Wir schmunzelten beide, dann sagte Dr. Duverger: » Es ist ein guter Tag, Mademoiselle. Bitte rufen Sie an, wenn Sie eine Frage haben, aber ich denke, es wird keine Komplikationen mehr geben.« Kurz darauf wiederholte er sich: » Aber, bitte, falls Sie eine Frage haben … oder Schmerzen … dann rufen Sie an, oui?«
» Oui«, erwiderte ich zustimmend.
Während ich an dem warmen Vormittag nach Hause spazierte, dachte ich darüber nach, welche Wirkung der Arzt auf mich hatte. Ich versuchte, mir über die Empfindungen klar zu werden, die mich bestürmten, während ich so nah vor ihm stand, im Hintergrund die Geräuschkulisse des Krankenhauses. Derartige Gefühle hatte ich nicht mehr gehabt, seit … Ich hielt inne und dachte darüber nach. Hatte ich überhaupt je so empfunden? Ich rief mir meine Jugend ins Gedächtnis und die Fantasien, die ich in Bezug auf Luke McCallister gesponnen hatte. Doch damals war ich ein albernes junges Mädchen gewesen und nicht die erwachsene Frau, die ich nun war, die ein ruhiges, beschauliches Leben führte, in dem kein Platz war für wunderliche Tagträumereien.
Ich bildete mir alles nur ein. Dr. Duverger hatte mich gar nicht einen Moment zu lange angeschaut und die gleiche Verwirrung erkennen lassen, wie ich sie empfand.
Ich bildete mir alles nur ein.
Als ich am Abend des folgenden Tages die Vordertür öffnete, um Zinnober hinauszulassen, sah ich, wie ein Wagen vor dem Haus hielt. Ich wollte die Tür gerade wieder schließen, da sah ich Dr. Duverger aussteigen.
Sein Besuch war so überraschend, dass ich gar nicht dazu kam, über meine Gefühle nachzudenken. Während er den Gartenweg entlangkam, bemerkte ich, dass er meinen Zeichenblock in der Hand hielt.
» Sie haben das hier vergessen«, sagte er, die Stufen heraufkommend. » Ich habe Ihre Adresse in Krankenakte gefunden und gesehen, dass ich in der Nähe einen Patienten besuchen muss. So habe ich gedacht, dass ich Ihnen das hier bringe.« Er hielt mir den Block hin.
» Vielen lieben Dank«, sagte ich und nahm ihn. » Ich habe ihn heute Morgen schon gesucht, konnte mich aber nicht mehr erinnern, wo ich ihn liegen ließ … Ich arbeite gerade an einem Bild, das mir nicht so recht gelingen will, und …« Ich redete zu schnell, plapperte einfach drauflos, nur um etwas zu sagen. » Wie gesagt, vielen Dank. Es ist äußerst nett von Ihnen, einen Umweg zu machen und mir den Zeichenblock zu bringen.«
» Ich habe mir Ihre Arbeiten angeschaut«, sagte er und sah zu Boden. Mein Blick folgte ihm, und ich bemerkte, dass Zinnober ihm um die Beine strich. Er schaute mich wieder an. » Sie sind sehr gut. Ihre Arbeiten.«
» Danke. Aber es sind ja nur Skizzen«, sagte ich verlegen und gleichzeitig erfreut bei dem Gedanken, dass er durch die Seiten geblättert hatte.
» Aber Sie lieben es zu …« Er unterbrach sich. » Mein Englisch«, sagte er und befeuchtete die Lippen. » Aber Sie mögen es zu zeichnen. Sie haben wirklich … Talent.«
» Nochmals danke.« Ich kam mir lächerlich vor, indem ich immer nur wieder » Danke« sagte, und suchte fieberhaft nach einem anderen Thema. Es wäre mir angenehmer gewesen, wenn er auf meine Narbe zu sprechen gekommen wäre. Aber das tat er nicht, und ich fuhr nervös
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